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Wachstum in anspruchsvollen Zeiten: Chancen und Strategien für Personenversicherer

Versicherer verfolgen ehrgeizige Wachstumsziele, doch das prognostizierte 2,9- bis 4,8-prozentige Beitragswachstum des GDV basiert hauptsächlich auf Beitragserhöhungen und der Inflation. Daher ist die Identifikation von Märkten und Produkten für nachhaltiges Wachstum entscheidend – die rasche Erschließung dieser Märkte ist angesichts des starken Wettbewerbs unerlässlich. Besonderes Potenzial bietet sich hier im Bereich der Personenversicherung.

Horváth hat den deutschen Versicherungsmarkt genau analysiert, um strategische Wachstumsfelder auszumachen. Dabei ergab sich ein differenziertes Bild. In der Schaden-/Unfallversicherung liegen die Herausforderungen vor allem in steigenden Schadenkosten und damit einhergehend in sinkender Profitabilität des Geschäfts. Aus diesem Grund sollten Versicherer vor allem den Fokus auf Effizienzsteigerung, angepasste Risikobewertung und Erschließung zusätzlicher Vertriebspotenziale legen. Für Letzteres sind Ökosysteme und Embedded Insurance vielversprechende Ansätze. Zudem gibt es spannende neue Erkenntnisse in der Neuauflage unserer Ökosysteme-Studie, die wir Ihnen auf Anfrage gerne vorstellen.

In der Kranken- und Lebensversicherung mit längerfristigen Verträgen und höheren Beiträgen etablieren sich vermehrt Produkte, die ein attraktives Wachstumspotenzial bieten. Vor dem Hintergrund eines steigenden Gesundheitsbewusstseins, dem Wunsch nach Absicherung im Alter über staatliche Leistungen hinaus sowie einer neuen Offenheit, am Kapitalmarkt zu partizipieren liegt der Fokus dieses Artikels auf der Personenversicherung und den Möglichkeiten für Versicherungsunternehmen.

Zusatz- und betriebliche Krankenversicherung mit hohem Potenzial

Die private Krankenvollversicherung bleibt die Haupteinnahmequelle der Branche mit 65 Prozent der Beitragseinnahmen im Jahr 2022. Der Bestand stagniert jedoch seit 2017. Die Zusatzversicherung erfreut sich als Wachstumssegment großer Beliebtheit, wie die dargestellte Marktentwicklung zeigt.

Sie erlaubt es Kunden, ihre Krankenversicherung gezielt zu erweitern, was angesichts des gestiegenen Gesundheitsbewusstseins auf großes Interesse stößt. Besonders die Nachfrage nach Zahn- und Pflegeversicherungen ist erheblich gestiegen. Kunden schätzen den zusätzlichen Schutz bei Zahnerkrankungen und Pflegebedürftigkeit. Und es besteht weiteres Potenzial: Rund 28 Millionen GKV-Versicherte ohne private Zusatzversicherung bieten Krankenversicherern die Gelegenheit, neue Kunden zu gewinnen und ihre Marktanteile zu erhöhen. Es gilt, diese Zielgruppe zu verstehen und gezielt mit einem bedarfsgerechten Angebot anzusprechen.

Die Verschärfung des „War for Talents“ lenkt den Fokus verstärkt auf die betriebliche Krankenversicherung (bKV). Seit 2017 verzeichnet der Markt für betriebliche Krankenversicherungen im Durchschnitt ein beeindruckendes jährliches Wachstum von 24 Prozent – derzeit mit einem Bestand von 1,8 Millionen versicherten Mitarbeitenden. Die bKV wird zunehmend zu einem Kriterium bei der Wahl des Arbeitgebers. Mit über 30 Millionen Beschäftigten ohne bKV prognostiziert eine Szenarioanalyse von Horváth für 2030 ein potenzielles Marktvolumen von 3,5 bis 4,2 Milliarden Euro. Branchenlösungen wie „CareFlex Chemie“ ermöglichen zudem die gezielte Ansprache ganzer Berufsgruppen und beschleunigen das Wachstum enorm. Die nachfolgende Abbildung zeigt eine Szenarioanalyse für den betrieblichen Krankenversicherungsmarkt 2030.

Zur Realisierung von Wachstum in der Krankenversicherung empfehlen wir zusammenfassend:  

Handlungsfelder private Zusatzversicherung  

  • Zielgruppengerechtes Angebot schaffen – Zahn- und Pflegeversicherung dürfen im Leistungskatalog nicht fehlen 
  • Einfachen und digitalen Vertragsabschluss und vor allem auch Service ermöglichen 

Handlungsfelder betriebliche Krankenversicherung  

  • Schneller Einstieg in den bKV-Markt mit attraktiven Produkten 
  • Schulung von Vertriebs- und Kooperationspartnern – digitale Unterstützung nutzen und Zusammenarbeit mit dem Krankenversicherungsvertrieb 
  • Ansprache bestehender Firmen- und Industriekunden

Fondsgebundene Versicherungen und betriebliche Altersvorsorge im Fokus der Versicherten

Für 2024 prognostiziert der GDV eine Beitragsentwicklung von -0,4 bis 1,1 Prozent, vor allem aufgrund von Verlusten im Einmalgeschäft.

Trotz steigender Zinsen verzeichnen klassische Lebensversicherungsprodukte keine nennenswerte Erholung. Ein GDV-Vergleich des vertraglichen Neuzugangs für 2021 zu 2022 zeigt einen negativen Trend bei klassischen Produkten. Im Gegensatz dazu verzeichneten fondsgebundene Produkte ein Wachstum von 14 Prozent im Neugeschäft. Gründe dafür sind das wachsende Interesse an der Aktienmarkt-Partizipation, niedrige Zinsen, die Suche nach höheren Renditen und eine verstärkte Digitalisierung von Anlageplattformen, sodass der Fokus verstärkt auf fondsgebundene Produkte gerichtet werden sollte.  

Ein weiterer vielversprechender Wachstumsmarkt mit erheblichem Potenzial ist die betriebliche Altersvorsorge. Ein Zuwachs von 1 Million Verträgen im Vergleich zu 2017 und ein durchschnittliches jährliches Wachstum von 4 Prozent unterstreichen dies eindrucksvoll. Das wachsende Bewusstsein für die Bedeutung der Altersvorsorge und der Einfluss des „War for Talents“ als Treiber sind auch hier deutlich spürbar. Unternehmen haben erkannt, welchen Vorteil sie bei der Mitarbeitergewinnung durch die Bereitstellung einer betrieblichen Altersvorsorge erlangen können. Branchenlösungen wie „MetallRente“ etablieren sich auch im Bereich der betrieblichen Altersvorsorge. Ein erfolgreicher Vertrieb in diesem Segment stützt sich weiterhin auf Makler und Einfirmenvermittler. 

Eine erfolgreiche bAV-Strategie muss längerfristig ausgerichtet sein und umschließt dabei neben einem attraktiven Produkt auch durchdachte E2E-Prozesse, die im besten Fall von digitalen Tools unterstützt werden. Zudem ist ein Vertrieb wichtig, der das Thema bAV aktiv bei den Kunden platziert. 

In Anbetracht der differenzierten Marktsituation in der Lebensversicherung empfehlen wir, folgende Ansatzpunkte zu verfolgen: 

Handlungsfelder fondsgebundene Versicherungen 

  • Fondsgebundene Produkte bleiben innerhalb der Kernprodukte am attraktivsten 
  • Der Vertriebsfokus sollte daher fortgesetzt werden 
  • Die Aktienaffinität der jüngeren Generationen kann ein Ansatzpunkt für zukünftige Ansprachen sein 

Handlungsfelder betriebliche Altersvorsorge 

  • Analyse des bestehenden Produktportfolios und Ausarbeitung einer Marktstrategie für die nächsten Jahre 
  • Schulung von Firmenmaklern und -vermittlern sowie Zusammenarbeit mit dem Lebensversicherungsvertrieb 
  • Ansprache bestehender Firmen- und Industriekunden ohne bAV 

Die Herausforderungen sind groß, trotzdem bieten sich Versicherern attraktive Wachstumschancen. Mit Anpassungsfähigkeit, Innovation und Kundenorientierung können sie neue Märkte erschließen und in einem wettbewerbsintensiven Umfeld erfolgreich agieren. Wir laden Sie ein, mit Horváth in den Dialog zu treten, und innovative Lösungen und Strategien für eine erfolgreiche Zukunft in der Versicherungsbranche zu entwickeln.

Schröder, I. S.