Raffinerie Heide denkt Energiemanagement neu
Energieeinsatz als wesentlicher Steuerungsfaktor in der Produktion
Die norddeutsche Raffinerie Heide, Hersteller von Treibstoffen, Heizmitteln und Produkten für die petrochemische Industrie, ist in der Verarbeitung von Kohlenwasserstoffen darauf angewiesen, besonders energieintensive Prozesse zu fahren. Angesichts der sich verschärfenden Preisentwicklung am Energie- und CO2-Zertifikate-Markt hat die Geschäftsleitung entschieden, gemeinsam mit dem Horváth-Expertenteam ihr Energiemanagement von Grund auf zu analysieren, Verbesserungspotenzial zu heben und damit erhebliche Kosten für Energie einzusparen – und nicht zuletzt umweltschonender zu produzieren.
Die Entwicklungen am Energiemarkt in Folge der Energiewende, verstärkt durch den Angriffskrieg von Russland gegen die Ukraine, treffen die energieintensive Prozessindustrie so substanziell, dass Energieeinsparungen und damit verbundene Effizienzsteigerungen nicht mehr nur wirtschaftlich sinnvoll sind, sondern sich in der aktuellen Energieversorgungslage zum entscheidenden Steuerungsfaktor entwickelt haben. Die exorbitanten Kosten zwingen Unternehmen zu handeln. Das Best-Practice-Beispiel zum neuen Energiemanagement in der Raffinerie Heide zeigt, wie strategische und operative Überlegungen zu signifikanten Verbesserungen führen – sowohl im Hinblick auf die Kosten als originärer Wirtschaftsfaktor als auch auf den CO2-Ausstoß und die damit verbundene gesellschaftliche Reputation.
AKTUELLE PREISENTWICKLUNG HEBELT MARGEN AUS
Erdgas ist ein wesentlicher Energieträger, der bei der Raffinerie Heide für die Bereitstellung von Strom und Prozesswärme benötigt wird. Aufgrund der dynamischen Marktentwicklung überschritten die Erdgaspreise im ersten Quartal 2022 die Marke von 100 Euro pro Megawattstunde und erreichten damit das Drei- bis Vierfache des Durchschnitts vergangener Jahre. Parallel stiegen die Preise für CO2-Zertifikate von 20 auf mehr als 80 Euro pro Tonne CO2-Emissionen. Beide Preisentwicklungen haben einen starken Einfluss auf die Margen der Raffinerie.
HORVÁTH-EXPERTISE ALS GARANT FÜR KONZEPTIONELLES ENERGIEMANAGEMENT
Raffinerie Heide holte sich mit den Experten von Horváth zusätzliches Know-how ins Haus, um gemeinsam die Steuerung des Energieeinsatzes auf ein zukunftsfähiges Level zu heben. Ausgangspunkt war der raffinerieübergreifende Benchmark von Solomon, der einen anonymen Abgleich mit Wettberbern zulässt: Auf Basis des Energy Intensity Index (EII) und den internen Energieverbräuchen ermittelte das Projektteam den Status quo und definierte den neuen Zielbereich. Um das Einsparziel zu erreichen, eruierten und initiierten sie einerseits strategische Maßnahmen in Form energieeffizienter Investitionen in den Standort. Andererseits identifizierten und realisierten sie durch operative Anpassung der Anlagenfahrweise Optimierungspotenziale, die keine Investitionen benötigten und unmittelbar wirksam waren.
NEUES ENERGIEMANAGEMENT AUF ZWEI SÄULEN
Der Blick auf zukunftsfähige Investitionen bildete die erste Säule des Programms: das strategische Energiemanagement. Auf Basis einer Top-down-Analyse wurden vielversprechende Investitionsprojekte identifiziert und bewertet. Das Expertenteam betrachtete für jedes Projekt einen konkreten Business Case mit Preisentwicklungen und Fördermöglichkeiten und analysierte sowohl Potenzial als auch Machbarkeit. Vorab definierte Kriterien stellten die Grundlage für die Auswertung dar, auf deren Basis Lösungsansätze ihren Weg in das Programm fanden.
Die zweite Programmsäule umfasste das operative Energiemanagement. Um maximales Know-how sicherzustellen, wurden cross-funktionale Energiemanagement-Teams aus Verfahrensingenieuren, Advanced Process Controllern, Produktionsfachleuten und Horváth-Raffinerieexperten aufgestellt. Eine agile Vorgehensweise schärfte den Fokus und ermöglichte die notwendige Geschwindigkeit in der Umsetzung. Für jeden anlagenspezifischen Sprint wurde ein optimales Team ermittelt. Auf Basis von Produktionsdaten wurden statistische Auswertungen durchgeführt, um Abhängigkeiten zu identifizieren und neue Gleichgewichte bezüglich des Energieeinsatzes zu finden. Ermittelte Optimierungsmaßnahmen wurden durch Testfahrten im Betrieb validiert. Nach der Bestätigung der Optimierungen in der Praxis wurden die neuen Erkenntnisse in der Produktionsfahrweise verankert. Durch diese Vorgehensweise wurden Maßnahmen nachhaltig in der Organisation festgesetzt.
EFFIZIENTES PROGRAMM-MANAGEMENT UND TECHNISCHE EXPERTISE SICHERTEN ERFOLG
Angepasst an die Vielzahl der Projekte etablierte Horváth ein laufendes Programm-Management, worüber alle Maßnahmen und Projekte aus beiden Programmsäulen in eine gemeinsame Steuerung mündeten. Dadurch konnte die Fülle der Einzelfaktoren effizient gesteuert und der Status aller Maßnahmen überwacht werden. Einflüsse aus unterschiedlichen Betriebsbereichen ließen sich überschaubar koordinieren und zielführende Priorisierungen setzen. Durch Aufsetzen und Einhalten der Programm-Governance stellte Horváth den Fortschritt sicher. So konnte Raffinerie Heide auf Grundlage fundierter und transparenter Ergebnisse die notwendigen Entscheidungen für ein zukunftsfähiges Energiemanagement treffen. Zusätzlich wurde durch die Bereitstellung von Horváth-Experten in den anlagenspezifischen Sprints ein Outside-in-View gewährleistet und neue Denkanstöße konnten gegeben werden.
NACHHALTIG ERGEBNISSE SICHERN
Raffinerie Heide verankerte in Zusammenarbeit mit dem Horváth-Team das Energiemanagement als strategisches Element noch stärker in der Organisation. Bereits vor Projektabschluss realisierte das Unternehmen signifikante Einsparungen. Der zügig sichtbare Erfolg motivierte das Projektteam, weitere Verbesserungsmaßnahmen auszumachen und gab dem gesamten Projekt und allen Beteiligten die notwendige Sichtbarkeit in der Organisation. Die erreichten Ergebnisse zahlten sowohl auf die ökonomischen als auch auf die ökologischen Ziele ein.
Energieeinsparungen und damit verbundene Effizienzsteigerungen sind nicht mehr nur wirtschaftlich sinnvoll, sondern haben sich in der aktuellen Energieversorgungslage zum alles entscheidenden Steuerungsfaktor entwickelt. Raffinerie Heide entschloss sich deshalb, das bestehende Energiemanagement auf den Prüfstand zu stellen und konzeptionell neu auszurichten.
INTERVIEW
HERR BEHRENS, WAS WAREN AUS IHRER SICHT DIE ERFOLGSFAKTOREN DES PROJEKTS?
Dank der umfassenden Begleitung durch Horváth – von der Analyse über die Zielsetzung bis hin zur Programmentwicklung und -umsetzung – konnten sich unsere Experten zu hundert Prozent auf ihre eigenen Stärken fokussieren. Die aufgesetzte Project Governance und das Projektmanagement erlaubten uns außerdem, unsere Ziele messbar zu verfolgen. Von großem Wert war der Blick von außen. Wir haben davon profitiert, dass die Horváth-Raffinerieexperten alte Denkstrukturen hinterfragten und wir dadurch neue Ansätze verfolgen konnten.
WAS WAREN DIE VORTEILE DER OPERATIVEN ENERGIEMANAGEMENT-TEAMS?
Funktionsübergreifende Teams hinterfragten bestehende Grenzwerte, die der energetischen Optimierung im Wege standen, und stellten diese auf den Prüfstand. Durch die Anpassung von Anlagenfahrweisen konnten CAPEX-freie Potenziale gehoben werden. Durch das Coaching der Horváth-Raffinerieexperten und -expertinnen haben unsere Mitarbeitenden neue Methoden kennengelernt, wie sie neue Einsparpotenziale identifizieren und realisieren können.
WAS WAREN IHRE PERSÖNLICHEN HIGHLIGHTS WÄHREND DES PROJEKTS?
Durch die Anpassung von Rückflussverhältnissen in Kolonnen oder die Reduktion von Ofentemperaturen optimierten wir den Energieverbrauch einzelner Anlagen, ohne die Produktausbeutestrukturen wesentlich zu verändern. Diese Art von Einsparungen waren sehr schnell umzusetzen, und das kostenlos und langfristig erfolgreich.
WAS SIND DIE NÄCHSTEN SCHRITTE?
Gemeinsam mit Horváth werden wir unser Programm nachhaltig mit Projekten und Maßnahmen füllen, um unser Programmziel im Energiemanagement bis 2030 zu erreichen. Denn so bleiben wir am Markt wettbewerbsfähig.
Über die Raffinerie Heide
Die Raffinerie Heide GmbH ist die nördlichste Erdölraffinerie Deutschlands. Auf dem 134 Hektar großen Gelände verarbeitet das Unternehmen jährlich rund 4,5 Millionen Tonnen Rohöl. Gut 70 Prozent des Rohöls werden für die Kraftstoffherstellung verwendet. Damit stammt ein erheblicher Teil des in Schleswig-Holstein verbrauchten Otto- und Dieselkraftstoffs aus der Raffinerie des Unternehmens. Darüber hinaus stellt die Raffinerie Heide Flugturbinenkraftstoff her, der vor allem an den Hamburger Flughafen geliefert wird. Neben der Kraftstoffproduktion werden in der Raffinerie in Hemmingstedt jährlich rund 450.000 Tonnen petrochemische Produkte hergestellt.
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