Die Finconomy AG fokussiert sich als Fin- und InsurTech Company Builder in ihrer Geschäftsstrategie auf die Entwicklung von B2B-Geschäftsmodellen. Mit seinen Ventures setzt das Unternehmen dabei auf die Etablierung von daten- und technologiegetriebenen Ökosystemen bei Banken, Versicherungen, unabhängigen Finanzvertrieben und Vermögensverwaltern.
Im Gespräch mit Horváth erörtert Reinhard Tahedl, warum B2B-Geschäftsmodelle insbesondere im Bancassurance-Umfeld den Markt nachhaltig verändern werden und wie das aktuelle Revival von Bancassurance zustande kam.
HERR TAHEDL, LASSEN SIE UNS ZUNÄCHST EINEN BLICK ZURÜCKWERFEN. 2017 STARTETE MIT DER FINCONOMY AG DEUTSCHLANDS ERSTER FIN- UND INSURTECH COMPANY BUILDER MIT EINER KONSEQUENTEN B2B-AUSRICHTUNG. WAS WAREN IHRE BEWEGGRÜNDE?
TAHEDL / Verschärfte Regulatorik und veränderte Kundenbedürfnisse führen zu immer größer werdenden Herausforderungen für traditionelle Finanzdienstleister. Um marktführende Lösungen hierfür bereit zu stellen, ist es meines Erachtens unabdingbar, diese mit hochqualifizierten Kolleginnen und Kollegen zu entwickeln. Dabei spielt das Thema intrinsische Motivation eine wesentliche Rolle. Diese ist natürlich am höchsten bei einer eigenen Mitunternehmerschaft. Dabei ist das geeignete, auch finanzielle Setting notwendig und sicher zu stellen. Damit sich unsere Co-Founder auf ihr Produkt konzentrieren können und nicht von Legal-, Finance-, HR- und sonstigen Admin-Themen abgelenkt werden, haben wir Finconomy gegründet.
Nicht nur durch den Aufbau von fundsaccess als marktführendem SaaS-Provider für digitale Anlageberatungsprozesse, sondern auch durch unseren erfolgreichen Exit von treefin haben wir bewiesen, dass es smarten Co-Foundern mit Unterstützung von uns gelingt, Ventures effizienter und risikoloser umzusetzen und tragfähige Geschäftsmodelle mit Hilfe unseres Industrienetzwerks schneller zu etablieren.
DIE FINCONOMY AG FOKUSSIERT SICH ALS COMPANY BUILDER AUF GESCHÄFTSMODELLE IM B2B-UMFELD UND STREBT KEINE GESCHÄFTSMODELLE IM ENDKUNDENGESCHÄFT AN? WORAUF IST DIESER FOKUS ZURÜCKZUFÜHREN?
TAHEDL / Auf den Punkt gebracht wollen wir Interessenskonflikte ausschließen. Unseren Kunden gibt die klare Positionierung als B2B-Enabler die Gewissheit, dass wir perspektivisch nicht ihre Endkunden mit eigenen digitalen Lösungen adressieren. Darüber hinaus agieren wir nicht maximal „Equity-Story“ getrieben, sondern fokussieren uns auf den Aufbau von stabilen Cashflows. Somit positionieren wir unsere Ventures als langfristig stabile Dienstleister für die digitalen Herausforderungen unserer Partner.
ZU IHNEN GEHÖREN DIE VENTURES BANKSAPI UND FINHOME, DIE BEIDE IM BANCASSURANCE-UMFELD VERANKERT SIND. WIE UNTERSCHEIDEN SICH DIE BERATUNGSLEISTUNGEN VON ANDEREN FINTECH-ANBIETERN AM MARKT?
TAHEDL / BANKSapi bietet Versicherungen mit seinem Banking-as-a-Service-Modell Alltagsrelevanz. Über die Analyse der Kontoumsätze können wir ein „finanzielles Blutbild“ des Kunden erzeugen. Kontoumsätze erzählen Geschichten. Unsere Technologie ermöglicht die Ableitung von soziodemografischen und sozioökonomischen Aussagen. Anders als andere Anbieter am Markt haben wir mit BANKSapi einen klaren Fokus auf Versicherungen und konnten bereits etablierte Partner wie die Wüstenrot & Württembergische, die Alte Leipziger oder die Swiss Life Deutschland als Partner gewinnen.
Mit finhome haben wir ein digitales Ökosystem entwickelt, welches wir Marktteilnehmern als White-Label-Lösung zur Verfügung stellen können. In diesem digitalen Ökosystem lassen sich Bankkonten, Versicherungen und Kapitalanlagen in einen Software-Layer endgeräteübergreifend konsolidieren. Wir ermöglichen unseren Partnern dadurch die Sicherung der digitalen Kundenschnittstelle und generieren mithilfe des integrierten Smart-Analytics-Bestandteils neue Vertriebspotenziale. Einen vergleichbaren Ansatz gibt es aktuell am deutschen Markt noch nicht.
SIE SPRECHEN IN IHREM WEBAUFTRITT VON „BANCASSURANCE 2.0“ UND DER „NEUEN SYMBIOSE VON BANK UND VERSICHERUNG“. WIE HAT SICH AUS IHRER SICHT DAS KONZEPT DER BANCASSURANCE ÜBER DIE LETZTEN JAHRE ENTWICKELT UND WAS WAREN DIE WESENTLICHEN GRÜNDE DAF
TAHEDL / Ich sehe drei Gründe, warum Bancassurance eine Renaissance erlebt. Den ersten Grund sehe ich darin, dass Endkunden Komplexitätsreduzierer suchen. Die digital affinen Kunden verfügen zwar mit den sozialen Netzwerken über eine Klammer um ihre berufliche und private Welt und nutzen Amazon bei Einkäufen. Allerdings haben sie keine Transparenz über ihre finanzielle Situation. Das Aufbrechen der Silos Bank und Versicherung durch die Nutzung von Bankdaten durch KI-getriebene Verbesserung des finanziellen Lebens kann dabei deutliche Mehrwerte liefern.
Der zweite Grund entsteht dadurch, dass Banken auf Grund des Rückgangs der Zinsmarge Möglichkeiten suchen, ihren Revenue-Pool zu erhöhen. Versicherungen sind dabei ein probates Mittel, da sie eine gewisse Nähe zu Bankprodukten auszeichnet. Zudem wird sowohl Banken als auch Versicherungen ein hohes Maß an Vertrauen entgegengebracht.
Der dritte Grund entsteht durch das regulatorische Umfeld, im Wesentlichen getrieben von PSD2, welches den Kontozugriff für Drittdienstleister ermöglicht und somit Rechtssicherheit schafft. Darüber hinaus kann auch die Integration von Open-Banking Angeboten für Versicherer spannend sein. Damit erhalten sie endlich Alltagsrelevanz, erzielen durch die Identifikation von Optimierungspotenzialen Vertriebserfolge und sichern die digitale Kundenschnittstelle.
WAS SIND DIE WESENTLICHEN TECHNOLOGISCHEN TREIBER IHRES GESCHÄFTSMODELLS?
TAHEDL / Wir haben bei BANKSapi ein Machine-Learning-Konzept umgesetzt, das es uns ermöglicht, Kontodaten zu analysieren. Im Rahmen dessen identifizieren wir nicht nur soziodemografische und sozioökonomische Parameter von Endkunden, sondern können auch feststellen, wenn sich deren Lebensumstände ändern. So können wir zwei Handvoll lebensverändernde Umstände, wie bspw. den Eintritt in den Beruf, eine Änderung der Wohnungssituation oder Hinweise auf die Möglichkeit eines Abschlusses einer privaten Krankenversicherung über die API ausspielen. Darüber hinaus können wir aus den Girokontoumsätzen einen Versicherungsordner der Endkunden automatisiert aufbauen. Das Potenzial und weitere Anwendungsfälle, insbesondere durch Predictive Analytics, sind hier noch längst nicht ausgeschöpft.
IHR NEUESTES VENTURE FINHOME IST ALS WHITE-LABEL-ANBIETER ZUM BETRIEB VON DIGITALEN ÖKOSYSTEMEN GESTARTET. WELCHEN LÖSUNGSANSATZ VERFOLGEN SIE UND WARUM GLAUBEN SIE, DASS DIES EIN ERFOLGSMODELL IST?
TAHEDL / Da sich meines Erachtens die Schlacht um die Kundenschnittstelle zunehmend verstärkt, ist es für den langfristigen Erfolg von klassischen Finanzdienstleister entscheidend, über möglichst viele Kontaktpunkte mit den Endkunden zu verfügen. Ein digitales Ökosystem, über welches der Kunde alle Konten, Versicherungen und Kapitalanlagen konsolidieren kann und welches ihm hilft, seine finanzielle Situation durch die Nutzung von KI zu verbessern, kann hier deutliche Mehrwerte heben. Finhome bietet mit seinem White-Label-Angebot die entsprechende Lösung hierfür. Darüber hinaus können Endkunden sogar Überweisungen durchführen, sodass somit die Nutzung der bankeigenen Onlineangebote entbehrlich wird. BANKSapi liefert im Hintergrund die Bankdaten und die Datenintelligenz zur Verbesserung der finanziellen Situation der Endkunden.
WO WOLLEN BANKSAPI UND FINHOME IN FÜNF JAHREN STEHEN UND WELCHE WESENTLICHEN MEILENSTEINE SEHEN SIE?
TAHEDL / Mit BANKSapi möchten wir die Möglichkeiten von PSD2 im gesamten europäischen Raum nutzen. Wir sehen hier eine Vielzahl an Use Cases, die über das reine Bancassurance-Umfeld hinausgehen. Daher möchten wir uns zu einem der führenden Banking-as-a-Service-Dienstleister in Europa entwickeln. Bei finhome sehen wir aus Endnutzersicht das Bedürfnis der Transparenz über alle Finanzdienstleistungen, auch über den deutschen Markt hinaus. Kurzfristig möchten wir uns weiter im deutschen Markt etablieren und uns mittelfristig als führender White-Label-Anbieter für digitale Ökosysteme im europäischen Financial-Services-Segment positionieren.
HERR TAHEDL, WIR BEDANKEN UNS FÜR DAS GESPRÄCH. WIR WÜNSCHEN DER FINCONOMY AG UND IHREN VENTURES WEITERHIN VIEL ERFOLG!
In unserer Interviewserie mit jungen, innovativen Unternehmen widmen wir uns dem Thema „Digitale Bancassurance“. Einen Überblick unserer Interviews sowie weitere Informationen zu unserer Sicht auf Bancassurance finden Sie hier.
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Martin Müller