Nahezu jeder Energieversorger hat sich bereits mit einzelnen Offensiven zur Ladeinfrastruktur positioniert. Die Überführung in ein profitables Geschäftsmodell ist bisher jedoch den wenigsten gelungen. Hierfür fehlt häufig eine ganzheitliche Sicht auf den E-Mobility-Markt und seine Hochlaufkurve. Wir zeigen Ihnen, welche Themenfelder für Sie von Bedeutung sind und welche Potentiale sich hier bieten.
Ein Blick auf die neusten Zulassungszahlen des Kraftfahrtbundesamtes macht deutlich: Elektromobilität ist kein Zukunftsthema mehr, sondern längst im Alltag angekommen. Sie ist ein elementarer Bestandteil einer nachhaltigen und digitalen urbanen Mobilität, die zahlreiche Städte bereits auf ihrer Agenda haben. Elektromobilität fordert insbesondere Energieversorger, die sich mit neuen digitalen Geschäftsmodellen zunehmend von ihrer klassischen Rolle als Strom- und Gaslieferant lösen. Viele haben sich schon mit einzelnen Ladeinfrastruktur-Offensiven positioniert. Doch diese Position müssen sie schnellstmöglich in ein profitables Geschäftsmodell überführen. Der Ausbau von Ladestationen im Umfeld von Arbeitsplätzen und Wohnungen ist dabei entscheidend.
Ladelösungen profitabel integrieren und abrechnen
Schon jetzt erhalten Energieversorger viele Anfragen bezüglich Heimladelösungen. Allerdings stellen die hohen Installationskosten in Mehrfamilienhäusern eine zentrale Herausforderung dar. Diese kann über einen Rahmenvertrag bewältigt werden: Der Energieversorger trägt die Kosten für die Infrastruktur, besitzt aber das Exklusivrecht, Ladestationen an alle Bewohner des Wohngebäudes zu vermieten – ein vielversprechendes Lock-in zur Kundenbindung für die Wohnungswirtschaft und Mehrfamilienhausbesitzer.
Neben der Integration von Ladestationen kommt der Abrechnung von Ladevorgängen durch Energieversorger eine steigende Bedeutung zu. Hierfür sind Kompetenzen in den Bereichen Kundenschnittstelle, Hardware, Billing und Plattformintegration gefragt. Häufig verfügen Energieversorger bereits über dieses Know-how. Durch die richtige Steuerung von Strukturen und Prozessen können sie sich daher auch als Abrechnungsdienstleister positionieren und so dem Kunden alles aus einer Hand anbieten.
Die zusätzliche Netzbelastung auffangen
Das Ladeverhalten von Elektrofahrern ist prognostizierbar. Meist wird das Fahrzeug am Abend angeschlossen und am Morgen wieder vom Netz getrennt. Verteilnetze sind für diese Lastspitzen durch gleichzeitiges Laden im urbanen Raum unterdimensioniert. Vor allem in Wohngebieten mit höherer E-Mobility-Affinität, sogenannten „Zahnarzt-Alleen“, werden zeitnah hohe Elektroautoquoten prognostiziert. Um den teuren Netzausbau zu umgehen, bieten sich für Netzbetreiber folgende Lösungskonzepte:
- Ladeverhalten mit Anreizen und Fernsteuerung beeinflussen
- Autarke Energieversorgung inkl. Batteriespeicher installieren
- Innovative Ladetechnologien ohne Netzanschluss einsetzen
Vor allem Batteriespeicher gewinnen im Hinblick auf Netzentlastung signifikant an Bedeutung. Hierfür bieten sich die Elektroautos selbst an. Ihre Batterien können kurzzeitig als Speicher eingesetzt und so zur Stabilisierung des Netzes genutzt werden. Mithilfe datengetriebener Simulationsmodelle (z. B. aus dem Horváth Steering Lab) können die Netzbelastung prognostiziert und die kostengünstigsten Gegenmaßnahmen konzipiert werden.
Neue Geschäftsmodelle durch Second Life Nutzung der Autobatterien
Im Mittel sind Lithium-Ionen-Batterien nach acht Jahren nicht mehr für das Elektroauto nutzbar. Bis 2030 werden daher ca. 1000 GWh Second-Life-tauglicher Batterien verfügbar sein. Dadurch bieten sich für Energieversorger Recycling und Second Life als potentielle Geschäftsmodelle an. Die wichtigsten Anwendungsfälle sind:
- Energiespeicher (Primärregelleistung)
- Hausspeichersysteme
- Hybrid-Fahrzeuge
- Schnellladesäulen
Die Second Life Nutzung lässt sich insbesondere in dezentrale Stromversorgungskonzepte integrieren. Hier dienen die Batterien als stationäre Speicher, die miteinander vernetzt werden können und so hohe Kapazitäten erreichen.
Die urbane Mobilität neu gestalten
Energieversorger positionieren sich zunehmend mit Mobilitätsdienstleistungen. Vor allem Mobility on Demand ist ein großer Trend der urbanen Mobilität. Während Mobility Start-ups und Automobilhersteller den ÖPNV bereits als Wachstumsmarkt für sich entdeckt haben, reagieren klassische ÖPNV-Unternehmen hier noch zu langsam. Dabei sind gerade sie in einer starken Position, um den Markt auch künftig zu dominieren. In der Regel bieten sich drei Möglichkeiten zur Integration von On-Demand-Lösungen in ihr Serviceportfolio:
- Anpassung Fahrlage / Schicht
- Anpassung Linienportfolio
- Produkt- / Plattformerweiterung
Unsere Portfolioanalysen zeigen, dass in der Regel wenige unrentable Strecken für die meisten Verluste verantwortlich sind. Mit On-Demand-Lösungen können defizitäre Linien substituiert werden. Grundsätzlich lassen sich folgende Wertbeiträge erzielen:
- Betriebskosten reduzieren
- Fahrzeugeinsatz optimieren
- Neukunden gewinnen
Als Grundlage der erfolgreichen Integration von On-Demand-Lösungen empfiehlt sich eine tiefe Geschäftsmodelldiskussion. Bei der operativen Ausgestaltung kommen dann mathematische Optimierungen und die Einbindung von Big Data zum Einsatz.
Der E-Mobility-Markt bietet Energieversorgern großes Potential für innovative und profitable Geschäftsmodelle. Dies haben auch branchenfremde Player und Start-ups realisiert, die mit hoher Aggressivität auf den wachsenden Markt drängen. Für Energieversorger bieten die Kundennähe und regionale Präsenz einen großen Vorteil bei der Positionierung. Diesen gilt es nun konsequent zu nutzen.
In unserer Studienreihe „Faktencheck Mobilität“ haben wir die wesentlichen Treiber der Elektromobilität für Sie zusammengefasst.
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Matthias Deeg