Agiles Projektmanagement ist designt, schnell und getaktet Resultate zu liefern. Dazu hinterfragt es Rollen, Prozesse und Projektpläne der klassischen Vorgehensweise. Standard-Methoden renommierter Softwareschmieden versprechen, ERP-Implementierungen agiler und schneller durchzuführen. Gilt das auch für große Projekte mit mehr als einem Dutzend eigenständiger Sprint-Teams?
Der Abschied von unflexiblen und langsamen Prozessen in der Software-Implementierung: Agiles Projektmanagement
Agile Projekte auf der Basis neuer Prinzipien und Werte verschlanken, flexibilisieren und beschleunigen die Implementierungsprozesse neuer Software. Aber solche Projekte verlangen eine dynamische Steuerung. Zwei Jahre lang haben wir von Horváth als Verantwortliche für das Projektmanagement-Office (PMO) eine große ERP-Greenfield-Implementierung bei einem Energieversorgungsunternehmen gesteuert und wertvolle Erkenntnisse gesammelt.
Projekt-Setup: Sauberer Start sichert späteren Erfolg
Unserer Erfahrung nach ist eine gründliche Vorbereitung der Startphase des Projektes essentiell für eine später erfolgreiche Projektsteuerung. Für praxisnahe ERP-Implementierungen werden methodische Rahmenkonzepte (z. B. Safe, LEss) angeboten, in unserem Projekt kam die Methode SAP Activate zum Einsatz. Zentrale Elemente dieses Frameworks sind das Template „Focused Build“ und der „SAP Solution Manager“.
In der Startphase des Projekts müssen PMO, das Projektmanagement und Focused-Build-Experten gemeinsam den geeigneten Ansatz zur Projektsteuerung auswählen. Mit ihm erhalten die Teams detaillierte Vorgaben zur Taktung der Sprints, zur Backlog-Priorisierung, zur Dokumentation sowie zur Wave- und Sprintplanung.
Bereits zu diesem Zeitpunkt ist es u. E. nötig, dem Projektteam die Methodik agilen Arbeitens zu präsentieren und darin zu schulen. Die Schulung kann durch Scrum Coaches bzw. Scrum Masters der Organisation der Kunden erfolgen. Zu beachten ist, dass SAP Activate zwar Elemente aus Scrum verwendet, jedoch nicht der „reinen Lehre“ folgt. Daher müssen alle Scrum Master vor dem Trainieren der Sprint-Teams gezielt zu „Activate Scrum Mastern“ geschult werden. Wird dies vernachlässigt, kann es zu teils erheblichen Reibungen, Effizienzminderungen und nicht zuletzt zu fehlender Akzeptanz in den ersten Monaten der eigentlichen Implementierung kommen.
Zudem trägt eine frühzeitige Bereitstellung der räumlichen Infrastruktur wesentlich zum Erfolg bei: Die Erfahrungen aus unserem Projekt zeigen, dass ein gemeinsamer Arbeitsbereich (Projektfläche) aller Sprint-Teams aller Fach- und IT-Bereiche die Effizienz wesentlich erhöht. Ergänzend informieren Informations-Boards in den Fluren die Teams jederzeit über den Stand der verschiedenen Projektbereiche (Gesamtplanung, Testmanagement, Migrationsplanung etc.).
Dualität der Projektsteuerung
Die Sprint-Teams in unserem Projekt pflegen ihre Aufgabenlisten mithilfe von Task-Boards. Für die tägliche Arbeit im „Maschinenraum“ ist dieses Vorgehen ideal: Das physische Board an der Wand erhöht die Transparenz und steigert die Motivation, Arbeiten zu erledigen und die Ergebnisse an das nächste Team „weiterzureichen“.
Allerdings muss das Projektmanagement im “Steuerraum“ die Übersicht behalten. Deshalb werden alle Aufgaben der Team-Ebene zusätzlich auch im Solution Manager erfasst und aktualisiert. Die notwendige Dopplung der Aufgabenabbildung belastet die Teammitglieder jedoch mit zusätzlichem Verwaltungsaufwand. Akzeptanz und Datenqualität könnten sinken. Um dem entgegenzuwirken, werden aktuell verschiedene digitale Dashboards entwickelt, die Solution Manager und Task Board verbinden.
Bewährte Mechanismen der agilen Projektsteuerung
Die Projektsteuerung stellt sicher, dass die Sprint-Teams das Product Backlog sukzessive in den einzelnen Waves abarbeiten. Dazu etabliert und nutzt sie eine Reihe von Mechanismen: Die Priorisierung legt fest, welche Funktionalität zwingend zum Go-Live erforderlich ist. Zudem werden Planungs-Reviews des Projektmanagements mit den einzelnen Teams als Feedback-Schleifen genutzt. Dabei wird u. a. gecheckt, ob die Priorisierung eingehalten wurde und ob die Teams sich hinsichtlich integrativer Aspekte ausreichend abgestimmt haben. Denn eine teamübergreifende Integration auf Product-Owner-Ebene ist gerade bei mehreren gleichzeitig arbeitenden Sprint-Teams wesentlich. Zu guter Letzt wird im Review gefragt, ob die Teams alle notwendigen Funktionen bis zum Go-Live umsetzen können.
Kommunikation: Show & Tell on Marketplaces
Nach jedem Implementierungs-Zyklus geben „Marketplaces“ dem gesamten Projektteam sowie den Sponsoren einen Überblick über die aktuellen Projektereignisse. Auf ihnen stellen die Teams ihre Projektergebnisse nach dem „Show & Tell“-Prinzip vor, um sie in einer anschließenden Runde zu diskutieren.
Methodik und praxisnahe Projektsteuerungsergänzungen
Agile ERP-Projekte sind hochkomplex und -integriert. Sie benötigen daher einen adäquaten Steuerungsansatz. Dazu stehen methodische Frameworks zur Verfügung, die aus unserer Erfahrung um weitere Elemente der Projektsteuerung ergänzt werden müssen. Mit dem richtigen Projekt-Setup und konsequenter Projektsteuerung wird das agile ERP-Projekt dann zum Erfolg.
Kontakt
Stefan Gerdes