Bernd Wagner, Managing Director Google Cloud Deutschland, im Interview über Datensouveränität, die Nachhaltigkeit von KI sowie die Zukunft von Deutschland als Technologiestandort.
Google Cloud entwickelt seit 2015 KI-Anwendungen. Welche Lösungen gibt es inzwischen – speziell für Unternehmen – und wodurch zeichnen sie sich aus?
WAGNER Mit Vertex AI haben Unternehmen eine individuelle Umgebung, in der die für sie wichtigsten KI-Bausteine von Google integriert sind. Das Herzstück ist Gemini, unsere leistungsfähigste und vielseitigste multimodale KI zur Erstellung und Verarbeitung von Text, Audio, Bildern und Videos. Auch auf eine große Palette von Partnerprodukten haben die Unternehmen Zugriff. Die Hoheit über die Daten liegt dabei beim Unternehmen, das die Lösung souverän managt, so dass sie in der Lage sind, Governance- und Compliance-Vorgaben zu erfüllen.
Google Cloud selbst hat keinen Zugriff auf firmeneigene Daten von Kundenunternehmen und könnte sie beispielsweise in den US-Markt bringen?
WAGNER Google Cloud kann keine Kundendaten für eigene Zwecke nutzen. Die Daten werden standardmäßig verschlüsselt und das Unternehmen hat mit seinem eigenen Teammanagement „den Schlüssel“ selbst in der Hand und verwaltet ihn. Das ist fast ohne Performance-Einbußen möglich, denn unsere Server in unseren Cloud-Regionen sind speziell dafür konfiguriert. Mit unseren Standorten Frankfurt und Hanau, die zusammen die Cloud-Region Frankfurt bilden, haben wir ausreichend Kapazitäten, um wechselseitige Backups und Disaster Recovery innerhalb des Landes zu gewährleisten. Mit der Cloud-Region Berlin-Brandenburg entsteht ein weiterer Hub.
Wir glauben an Europa und Deutschland als Innovationstreiber. Bis 2030 investiert Google eine 1 Milliarde Euro in den Ausbau von IT-Infrastruktur in Deutschland. Daneben unterstützen wir auch innovative lokale Start-ups.
Wie steht es um die Nachhaltigkeit? Durch die zunehmende Nutzung von KI-Anwendungen steigt der Strombedarf für Rechenkapazitäten…
WAGNER Google deckt schon seit 2017 seinen jährlichen Stromverbrauch zu 100 Prozent aus erneuerbaren Energien. Bis 2030 strebt Google in der gesamten Betriebs- und Wertschöpfungskette Netto-Null-Emissionen an – verbunden mit dem ehrgeizigen Ziel, unsere Rechenzentren und Bürostandorte rund um die Uhr mit kohlenstofffreier Energie zu betreiben.
Wir nutzen Technologie außerdem gezielt, um unseren Energiebedarf zu senken beziehungsweise Energie weiter zu nutzen. Wir können mit nahezu minütlicher Sicherheit das Eintreffen einer sich nähernden Kältefront vorhersagen und die Kühlung unserer Rechenzentren entsprechend rechtzeitig herunterfahren. Und von den Servern abgegebene Wärme wiederum wird zum Beispiel zur Beheizung von umliegenden Bürogebäuden verwendet.
Was sind aus Ihrer Sicht die größten Risiken und Schwierigkeiten, die der Siegeszug von KI mit sich bringt?
WAGNER Wir beschäftigen uns sehr intensiv mit dem Thema Responsible AI und optimieren Lösungen zur Entlarvung von Fake-Inhalten und Manipulation sowie zur Sicherstellung von Urheberrechten. Bestimmte Anfragen führt unsere KI nicht aus, weil sie einem Wertekodex unterliegt. Generierte Bilder hinterlegen wir mit Wasserzeichen und Metadaten, um die Nutzung in missbräuchlichen Kontexten aufdecken zu können. Erstellte Inhalte werden mit Quellen ausgespielt, um ihren Hintergrund deutlich zu machen. Kurzum - wir nutzen alle erdenklichen Möglichkeiten, um Transparenz sicherzustellen.
Wenn KI so viele Tätigkeiten automatisiert ausüben kann, müssten Millionen von Fachkräften in den Unternehmen obsolet werden – oder wie sehen Sie das?
WAGNER Es wird sicherlich eine immense Verschiebung von Jobprofilen geben, und es gilt dabei natürlich, flexibel zu bleiben. Unternehmen werden mit gleicher Personenstärke durch Nutzung von KI deutlich mehr Anfragen in gleicher Zeit bearbeiten können und das mit besserem Ergebnis, da Kundenbedürfnisse treffsicherer und gezielter erfüllt werden können. Dafür bleibt dem Personal mehr Zeit für das Kerngeschäft oder etwaige neue Aufgaben, die sich aus dieser Verschiebung ergeben. Mit KI optimierte Leistungen und Arbeitsergebnisse werden zum neuen Standard, zur Commodity. Kein Unternehmen wird es sich – im wahrsten Sinne – leisten können, diesen Performance-Sprung nicht mitzugehen.
Das Schöne ist: Generative KI ist gewissermaßen ein demokratisches Gut. Auch kleine Anbieter haben damit weltweit die Möglichkeit, sich ein Business aufzubauen.
KI kann, gerade in streng regulierten Branchen, enorme Ressourcen freisetzen, die wieder Raum für echte Verbesserungen und Innovationen bieten. Das gilt übrigens ebenso für Ministerien oder Behörden, welche Kapazitäten für die wirklich wichtigen Dinge schaffen, wenn die KI nicht nur “den Papierkram” macht, sondern konkrete Empfehlungen abgibt und damit etwa Entscheidungsfindungsprozesse unterstützt.
Letzte Frage: Wie unterstützt KI Sie ganz persönlich in Ihren Aufgaben?
WAGNER Ich arbeite wirklich sehr gerne mit Duet AI für Google Workspace und profitiere davon. Ob Texte, Präsentationen oder Meeting-Zusammenfassungen – die KI nimmt mir im Alltag viel Arbeit ab. Eine menschliche Assistenz ersetzt sie allerdings nicht, und das ist auch gut so.
Über Bernd Wagner:
Bernd Wagner ist seit 2021 Managing Director bei Google Cloud in Deutschland. Zuvor war Wagner bei T-Systems International als Senior Vice President für den Vertrieb zuständig und zudem Mitglied im Aufsichtsrat der Operational Services GmbH, einem Joint Venture der Fraport AG und T-Systems International. In weiteren Stationen leitete der IT-Topmanager das Geschäft der Softline AG und startete seine Karriere 2007 als Senior Vice President bei Fujitsu.