Victoria Ossadnik, COO bei E.ON, im Interview

„KI wird einen großen Beitrag zur Energiewende leisten“

Victoria Ossadnik, COO bei E.ON, im Interview über den Erfolg von E.ON GPT, den Beitrag von KI zur Energiewende und den Aufbau von Innovationsökosystemen.

Sie haben mit E.ON GPT im Dezember vergangenen Jahres eine firmeneigene KI-Lösung gelauncht. Wie sind Erfahrungen der ersten Wochen?

OSSADNIK Die Einführung von E.ON GPT, eine unsere Sicherheitsstandards erfüllende interne Version von ChatGPT, markiert eine neue Ära für unsere Mitarbeitenden. Und das Interesse und die Bereitschaft unserer Kolleginnen und Kollegen, diesen digitalen Assistenten zu nutzen, ist riesig: Tausende haben bei der Einführung das Tool ausprobiert und fast 8.000 Sessions erzeugt. Täglich sehen wir mehr als 500 aktive Chats. Besonders freut mich, dass unsere Trainings zu Prompting und der Einbindung des Tools in interne Prozesse auf großes Interesse stoßen. Jeden Termin nehmen mehrere Hundert Mitarbeitende wahr und die Nachfrage steigt kontinuierlich.  

Was sind weitere geplante Maßnahmen, mit denen E.ON sich KI zunutze machen wird?

OSSADNIK Der Einsatz von Künstlicher Intelligenz umfasst bei E.ON sowohl die beiden Geschäftsfelder – Energieinfrastruktur und Kundenlösungen – als auch Generative KI zur Unterstützung unserer Mitarbeitenden und die Verbesserung von Kundenschnittstellen durch Künstliche Intelligenz. Im Netzbereich bietet KI das Potenzial, unsere Infrastruktur in einer dezentralen Energiewelt noch resilienter zu machen. Daher testen und erforschen wir derzeit Möglichkeiten, wie sich KI in verschiedenen Bereichen unseres Netzgeschäfts einsetzen lässt. Wir nutzen die Technologie beispielsweise bereits für die Auswertung von Drohnenbildmaterial, im Bereich der vorrausschauenden Wartung sowie beim ökologischen Trassenmanagement. Ein Beispiel aus dem Segment der Kundenlösung ist eine App, welche das Solarpotenzial auf Dächern ermittelt. 

Wie werden sich ihr Geschäftsfeld und interne Prozesse durch den zunehmenden Einsatz von KI in den nächsten Jahren verändern?

OSSADNIK Künstliche Intelligenz wird eine Schlüsselrolle als Vehikel im Energiesystem der Zukunft einnehmen. Nicht nur um die Energiewende im Rahmen des Alltagsgeschäftes voranzutreiben braucht es digitale Lösungen und den Einsatz von Künstlicher Intelligenz, um beispielsweise mit Hilfe eines digitalen Zwillings des Netzes Planungen zu optimieren. Auch tägliche Arbeitsroutinen unserer Mitarbeitenden können durch den Einsatz generativer KI unterstützt werden, beispielsweise im Zusammenhang mit Rechercheaufgaben und bei der Textverarbeitung. 

Wie viele Vollzeitstellen wird KI langfristig ersetzen und welche neuen Jobprofile entwickeln sich?

OSSADNIK Durch KI-Unterstützung werden wir in der Lage sein, die Herausforderungen der Energiewende effizienter und schneller zu bewältigen, ohne zwangsläufig bestehende Arbeitsplätze zu ersetzen. Vielmehr werden sich Profile durch die Integration von Technologien wie Künstlicher Intelligenz verändern. Zudem bauen wir im Bereich Data und KI konsequent unsere Expertise weiter auf und planen einen deutlichen Mitarbeiterzuwachs in den kommenden Monaten und Jahren. 

Inwieweit kann KI dabei unterstützen, die Energiewende voranzubringen?

OSSADNIK Im zunehmend dezentraleren Energiesystem findet die Energiewende im Verteilnetz statt. Im vergangenen Jahr hat E.ON die millionste Erneuerbare-Energien-Anlage an seine Netze angeschlossen. Gemäß den klimapolitischen Zielen der Bundesregierung müssten bis 2030 weitere sechs Millionen neue Erneuerbare-Energien-Anlagen und dezentrale Verbraucher ins System integriert werden. Dies bietet Netzbetreibern Chancen, stellt uns aber gleichzeitig vor Herausforderungen, die sich (zusätzlich zum Netzausbau) nur mithilfe konsequenter Digitalisierung sowie dem Einsatz von Künstlicher Intelligenz lösen lassen. KI wird zukünftig eine immer größere Rolle spielen, das volatile Einspeiseverhalten von Millionen Erneuerbare-Energien-Anlagen und dezentrale Verbraucher zu steuern und schafft somit Effizienzgewinne und Flexibilitäten im gesamten Energiesystem. 

Wie sind KI-Projekte im Unternehmen aufgehängt?

OSSADNIK Wir haben bereits heute mehrere 100 Data- und KI-Spezialisten im Gesamtkonzern, die sich größtenteils in unserer Digital-Unit befinden, aber interdisziplinär im Einsatz sind. Die Anzahl an Experten werden wir in den nächsten Jahren weiter ausbauen. 

Wie wird sichergestellt, dass Datenschutz, Urheberrechte und Compliance-Vorgaben gewahrt werden?

OSSADNIK Bevor KI-Anwendungen bei E.ON eingesetzt werden, überprüfen unsere Experten von Cybersecurity, Legal und Data Protection, ob das Tool unseren Sicherheitsstandards entspricht. Ist dies der Fall, bekommen die E.ON-Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter Richtlinien zu den jeweiligen Programmen an die Hand. 

Sehen Sie Probleme, ausreichend spezialisierte Fachkräfte zu finden, die diese Lösungen steuern, implementieren und weiterentwickeln?

OSSADNIK Wir sehen, dass der IT-Arbeitsmarkt eng ist, freuen uns aber, dass wir viele Fachkräfte überzeugen. Bei uns können Mitarbeitende Klimaschutz und Energiewende konkret gestalten und umsetzen. Zudem setzen wir auf die Qualifizierung unserer Mitarbeitenden durch „Digital Empowerment", um lebenslanges Lernen zu fördern und ihnen maßgeschneiderte Weiterbildungsmöglichkeiten zu bieten – und eben auch, um das Potenzial von KI optimal zu nutzen. 

Inwiefern kollaborieren Sie mit anderen Unternehmen oder Universitäten zur Analyse von zukünftigen Einsatzmöglichkeiten und Weiterentwicklung von KI-Anwendungen?

OSSADNIK Der Zugang zu Climate-Tech und den daraus resultierenden digitalen Lösungen ist ein zentraler Eckpfeiler unserer Innovationsinitiativen, mit denen wir neue Technologien und Startup-Lösungen in das E.ON-Geschäft integrieren. Die Zusammenarbeit in globalen Netzwerken und Partnerschaften beschleunigt und fördert die Innovationskraft. Wir greifen dabei auf ein Innovationsökosystem zu, das aus vielfältigen Partnern wie Start-Ups und Universitäten besteht. Zudem investieren wir über die Future Energy Ventures seit Jahren in ein Portfolio von ca. 50 Startups und sichern uns so Zugang zu Technologien wie KI. Mit einem jetzt im Januar neu aufgelegten Fonds fördert E.ON gemeinsam mit dem Europäischen Investitionsfonds (EIF) und Future Energy Ventures (FEV) intelligente Innovationen für die Energiewende. Der von FEV verwaltete Fonds hat bereits ein Volumen von 110 Millionen Euro und eine Zielgröße von 250 Millionen Euro. Der neu gegründete Fonds ist für externe Investoren offen. 

Inwieweit nutzen Sie persönlich KI – in Ihrem Job oder auch privat?

OSSADNIK Ich setze KI in meiner beruflichen Tätigkeit vor allem in Form von Copilot für Teams und PowerPoint sowie E.ON GPT ein. Die Effizienzsteigerung und Zeitersparnis, die KI in Arbeitsabläufen ermöglicht, beeindrucken mich immer noch täglich, besonders in Bezug auf kollaborative Funktionen und Textgenerierung.  

 

Über Victoria Ossadnik:

Seit April 2021 ist Victoria Ossadnik COO der E.ON SE und für die Digitalisierung und die IT-Strategie des Konzerns verantwortlich. 2018 trat Victoria Ossadnik als Vorsitzende der Geschäftsführung bei E.ON Energie Deutschland in den E.ON Konzern ein. Sie begann ihre berufliche Laufbahn als COO bei SCANLAB und arbeitete dann bei der CSC Ploenzke AG. 2003 wechselte sie in die Geschäftsleitung von ORACLE Deutschland. Von 2011 bis 2015 war sie Mitglied der Geschäftsleitung von Microsoft Deutschland, danach bis 2018 weltweit verantwortlich für die Enterprise Service Data- und AI-Organisation der Microsoft Corp 

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