KI gilt als Heilsbringer für die Verbesserung von Effizienz und Gesamtperformance, für neues Vertriebspotenzial, für die Weiterentwicklung des Geschäftsmodells. Vor allem die Unternehmensführung setzt enorm hohe Erwartungen an den Einsatz generativer KI im eigenen Haus. Großzügig wurden Budgets für KI-Projekte erhöht, wie unsere Studie zeigt, ein ganzer Katalog an Maßnahmen und Initiativen für 2024 mit Begeisterung abgesegnet.
Doch werden sich die erwarteten Benefits, die mit dem Einsatz der neuen Technologien verbunden sind, in vielen Unternehmen nicht einstellen. Der Grund: Es fehlt an strategischer Priorisierung, die Budgets werden nicht sinnvoll allokiert. Die Maßnahmen werden nicht ganzheitlich gesteuert, die Implementierung erfolgt oft nicht nach einem erprobten und verabschiedeten Ansatz. Aufwand und Herausforderungen bei der Umsetzung ausgeblendet.
Gießkannenprinzip verbrennt Budgets und Ressourcen
Aktuell geht die Mehrheit der Unternehmen nach dem Gießkannenprinzip vor, wie unsere Studie offenbart. Nach dem Motto „viel hilft viel“ wird in jedem Unternehmensbereich und in jeder erdenklichen Kategorie eine KI-Maßnahme gestartet. Alle Maßnahmen werden (fast) mit der gleichen Priorität angegangen – das Budget entsprechend kleinteilig verteilt. Für die internen Ressourcen gilt das gleiche. Operative Herausforderungen und Risiken werden dabei deutlich unterschätzt. Die Fachabteilungen sind schon jetzt am Ächzen. Sie bemängeln eine fehlende strategische Positionierung, sie klagen über fehlendes internes Know-how, über zu wenig spezialisierte Teammitglieder.
Um es bildlich zu machen: Wenn ich nur wenig Baustoffe und Handwerker:innen habe, trotzdem zehn Baustellen aufmache, dann werden maximal zwei im geplanten Zeitraum fertig. Doch statt der nachhaltigen, sich selbst versorgenden Immobilie auf solidem Fundament, mit Anbauoption, die im Wert steigt, haben wir im Ergebnis ein 0815-Gebäude mit Planungsfehlern, konventionell betrieben etc. Und dann soll schon wieder das nächste Neubaugebiet erschlossen werden.
Kurzum: Vielen Unternehmen wird finanziell die Puste ausgehen, bevor sie das „next Level“ der KI-Transformation überhaupt angehen können. Und dann wird der Wettbewerb längst an ihnen vorbeigezogen sein.
Copycat KI – Bewährtes Vorgehensmodell einfach übertragen
Was hilft? Einem bewährten Vorgehensmodell zu folgen – auch und gerade beim dynamischen Trendthema KI. Denn auch die KI-Transformation ist eine digitale Transformation, und die ist hochgradig steuerbar und planbar. Die Erfolgsrezepte der digitalen Transformation können nahezu 1:1 auf KI übertragen werden. Klingt praktisch und nach Synergien? Genau so ist es.
1. Die Nutzenpotenzial-Analyse
Nein, an dieser Basisarbeit führt kein Weg vorbei. Und ja, es lohnt sich auch dann noch, wenn schon diverse Einzelmaßnahmen und Projekte laufen beziehungsweise verabschiedet sind. Was gilt es dabei, unbedingt einzubeziehen? Den aktuellen Unternehmensstatus (Strategie, Geschäftsmodell, Unternehmensbereiche, Umsatzentwicklung etc.). Dem gegenüber werden (Gen)AI-Potenziale insgesamt gestellt – und dann nach klassischen Methoden, so ergebnisoffen wie möglich und mit interdisziplinärer Besetzung, analysiert. Aktuell hat erst ein Viertel der Unternehmen so eine Analyse umgesetzt oder setzen sie aktuell um. Für 2024 haben sich weitere 50 Prozent vorgenommen, Einsatzmöglichkeiten fundiert zu prüfen – in welcher Tiefe, und zu welchem Zeitpunkt genau, haben wir nicht abgefragt. Es ist zu hoffen, dass diese Maßnahme nicht zugunsten vermeintlicher und spannender „Quick Wins“ gestrichen wird.
2. Die Strategie
Aus den Ergebnissen der Analyse wird eine Grundstrategie für die unternehmenseigene KI-Transformation entwickelt. Diese umfasst: Konkrete Ziele und Prioritäten, Operating Model, Governance Framework, Use Case Portfolio, Umgang mit Unsicherheiten, Befähigung, Kommunikation und natürlich einen Zeitplan. Das Gesamtbudget ist auf einige ausgewählte Unternehmensbereiche und Use Cases zu allokieren. Auch hier gibt nur jedes vierte Unternehmen an, die strategischen Weichen bereits sauber gestellt zu haben. Bei weiteren 50 Prozent steht die Roadmap auf der Agenda für 2024. Immerhin.
In jedem Fall gilt: Weniger ist mehr! Denn noch vor der eigentlichen Umsetzung sind umfangreiche Voraussetzungen zu erfüllen und Vorarbeiten zu leisten, vor allem in punkto Datenbasis und Datenqualität. Aber auch ethische und regulatorische Grundsatzfragen sind im Vorfeld zu klären.
3. Der geeignete Implementierungsansatz
Verschiedene Archetypen der AI-Implementierung haben sich bereits in Unternehmen bewährt. Dazu gehören erstens der „Sandbox-Ansatz“ oder „Try-out-Ansatz“, bei dem AI in einem geschützten Umfeld verprobt wird. Hinzu kommt zweitens ein strukturiert analytisches Vorgehen entlang der Geschäftsprozesse und drittens der „AI all in approach“, bei dem GenAI zur skalierten Nutzung im Unternehmen verwendet wird.
4. Die stufenweise Implementierung
Die eigentliche Implementierung erfolgt dann stufenweise mit engem Monitoring und laufender Anpassung. Proof of Concepts sollten wiederholt in Sandboxes getestet werden. Achtung: Von Anfang an Transparenz im Unternehmen herstellen, was in Bezug auf den Einsatz von AI genau passiert und geplant ist. Nutzen Sie alle verfügbaren Kanäle der internen Kommunikation, um rechtzeitig über Projektpläne und Neuerungen zu informieren.
5. Die Befähigung und Motivation von Mitarbeitenden
Die teuerste KI hilft nichts, wenn Mitarbeitende sie nicht einsetzen. Analysieren Sie das bereits vorhandene Know-how. Planen Sie eine Roadmap für Schulungen und Weiterbildungen der Mitarbeitenden. Benennen Sie Pilotprojekt-Verantwortliche und machen sie Betroffene zu Beteiligten.
Wem das alles zu sehr nach Schablone klingt, sei gesagt: Je nach Unternehmen können natürlich unterschiedliche Schwerpunkte in der hauseigenen „Road der KI-Transformation“ gelegt werden.
Planlos, mit blindem Aktionismus oder vorgefertigten, ungeprüften Vorstellungen durch die KI-Revolution zu steuern, in der Hoffnung, der KI-Funke wird sich unternehmensweit schon irgendwie entfachen, ist in jedem Fall die schlechtere Alternative.
Kontakt
Rainer Zierhofer