Das krisengeprägte Jahr 2022 hat die Planung vieler Unternehmen über den Haufen geworfen. Eine neue Krise ist 2023 bisher nicht dazu gekommen. Dennoch sind die wirtschaftlichen Erwartungen zahlreicher Topmanagerinnen und -manager für das laufende Geschäftsjahr eher ernüchternd.
Eine Vielzahl der mehr als 430 internationalen Vorstandsmitglieder, die wir für unsere CxO Priorities Study persönlich befragt haben, erwartet in diesem Jahr kein echtes Wachstum – sie prognostizieren im Durchschnitt lediglich ein Umsatzwachstum zwischen null und fünf Prozent. Unter Berücksichtigung der Inflationsrate wird deutlich, dass es sich dabei nicht um reales, sondern um nominales Wachstum handelt. Branchenübergreifend erwartet nur rund die Hälfte der CxOs ein Umsatzwachstum über fünf Prozent. Jedes zehnte Unternehmen geht sogar von sinkenden Umsätzen aus.
Branchenvergleich zeigt enorme Unterschiede auf
Ein genauerer Blick auf die einzelnen Branchen zeigt allerdings, dass durchaus Unterschiede erkennbar sind. Am optimistischsten ist die Energiebranche mit 82 Prozent der Befragten, die von einem relevanten Umsatzwachstum ausgehen. Auch Versicherungsunternehmen gehen von einer positiven Umsatzentwicklung aus. Beitragssteigerungen von rund vier Prozent werden hier durchschnittlich erwartet. Banken und andere Finanzinstitute rechnen sogar mit einem Plus von knapp über sieben Prozent. Der Sektor Reise & Verkehr erlebt aufgrund von Nachholeffekten einen Aufschwung, zwei Drittel planen mit steigenden Umsätzen. Ähnlich optimistisch sind Führungskräfte aus den Bereichen Telekommunikation sowie Maschinenbau inkl. Elektrotechnik, die aufgrund hoher Auftragsbestände positiv in die Zukunft blicken. Im Automotive-Sektor planen 60 Prozent mit steigenden Umsätzen, konkret mit einem Plus von 7,5 Prozent.
Doch es gibt auch weniger optimistische Branchen. An die Substanz geht es den Öl- und Chemiekonzernen sowie der Metallindustrie und dem Handel. Hier gehen, je nach Branche, 40 bis 50 Prozent der Topmanager:innen von Rückgängen aus – die Rohstoffindustrie ist dabei noch pessimistischer als der Handel.
Bipolares Bild zeichnet sich ab
Spannend ist in diesem Zusammenhang eine weitere Erkenntnis aus unserer Studie: Innerhalb der Unternehmen, die von Wachstum ausgehen, generiert eine knappe Mehrheit – etwa 60 Prozent – echtes Wachstum über mehr abgesetztes Volumen. Zu den Branchen, die vor allem über Preissteigerungen höhere Umsätze generieren, gehören beispielsweise die Metallindustrie, Konsumgüter, Versicherungen und Energie.
Bei den prognostizierten EBIT-Margen zeigt sich ein ähnlich bipolares Bild: Wie beim Umsatz auch, gehen über alle Branchen hinweg nur die Hälfte der Unternehmen von steigenden EBIT-Margen aus.
Kein „Business as usual“
Die Antworten der befragten Topführungskräfte machen zudem deutlich, dass viele von ihnen zwar nicht von einem Krisenszenario ausgehen – von „Business as usual“ kann jedoch nicht die Rede sein. Denn der Margendruck hat stark zugenommen.
In dieses Bild passt auch, dass die Unternehmen wieder defensiver agieren. Hintergrund ist, dass die Notwendigkeit zur Optimierung von Working Capital und Liquidität im Vergleich zum vergangenen Jahr enorm gestiegen ist. 2022 war Liquidität für gerade einmal jedes vierte Unternehmen von großer Relevanz – heute ist dies bereits für über 40 Prozent der Fall. Diese Tatsache erklärt sich nicht nur durch die herausfordernde Zinslage. Vielmehr ist es so, dass viele Firmen in Krisenzeiten vermehrt auf Bevorratung und Läger gesetzt haben. Inzwischen ist Material allerdings wieder verfügbar, die Lieferkettenstörungen weitestgehend aufgelöst und Logistikkosten erschwinglich. Das Kapital ist aber noch weiter zu steigenden Zinsen gebunden – zum denkbar ungünstigsten Zeitpunkt.
Kostenoptimierungen deutlich an Relevanz gewonnen
Aus diesem Grund rückt derzeit auch die Ergebnissicherung wieder stärker in den Fokus des Topmanagements. Im Ranking der aktuellen Managementprioritäten ist Kostenoptimierung in diesem Jahr auf dem vierten Platz gelandet – noch vor Nachhaltigkeit. Inzwischen misst etwa die Hälfte der Befragten diesem Thema eine sehr große Bedeutung bei, vor einem Jahr waren es nur rund ein Drittel. In der produzierenden Industrie ist dieses Thema sogar noch wichtiger als die digitale Transformation.
Branchenübergreifend gehen die CxOs überwiegend davon aus, die Kosten wieder in den Griff zu kriegen. Jedoch wird auch für 2024 nicht mit bedeutsamem Wachstum gerechnet. Das macht eine aktive Ergebnissicherung unumgänglich.
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Dr. Ralf Sauter