Dr. Michael Prochaska, Vorstand Personal und Recht bei STIHL, im Interview

„Nachhaltigkeit rückt bei STIHL ganz bestimmt nicht aus dem Fokus“

Wie unsere branchenweite internationale CxO Priorities Studie zeigt, sind Nachhaltigkeit und Personalthemen als strategische Managementprioritäten bei vielen Unternehmen nach unten gerutscht – Kostenoptimierung und Digitalisierungsthemen dafür wichtiger geworden. Wie der weltmarktführende STIHL Konzern es schafft, keines dieser Themen zu vernachlässigen und stattdessen zu verbinden, berichtet Dr. Michael Prochaska, Vorstand Personal und Recht bei STIHL – und hält ein Plädoyer für das deutsche Ausbildungssystem.

Es geht ja im Unternehmensalltag aktuell viel um Kosten und Kostenoptimierung. Wie passt das aus Ihrer Sicht mit gleichzeitig notwendigen Innovationen zusammen, zum Beispiel in Bezug auf Kompetenzentwicklung in Zukunftstechnologien?

PROCHASKA Das sind für uns keine Gegensätze, sondern ergänzt sich. Unternehmertum ist schon immer eine Kombination aus Innovationsstreben und verantwortungsvollem Risiko- und Kostenmanagement. Nur eine effiziente Kostenstruktur ermöglicht es, Ressourcen gezielt in strategisch wichtige Bereiche zu investieren. Dazu gehören digitale Technologien wie Automation und KI-Anwendungen, aber auch Technologien zur Dekarbonisierung. 

Nicht nur die Automobilbranche, auch wir als Hersteller von Garten- und Forstgeräten verabschieden uns sukzessive von Verbrennern und setzen stattdessen auf Akkutechnologien. Die Regulatorik zwingt uns als Hersteller, etablierte Geschäftsmodelle zu überdenken und neue Produkte und Services zu entwickeln. Diese Entwicklungen sind enorm kostenintensiv. Diese Investitionen müssen getätigt werden, lange bevor die Neuerungen am Markt etabliert sind und Erträge generieren. Das ist eine enorme Herausforderung und erfordert konsequentes Kostenmanagement, um den wirtschaftlichen Erfolg mit neuen Technologien in der Zukunft zu sichern. 

Das Thema Nachhaltigkeit scheint für viele Unternehmen in der Priorität etwas nach hinten zu rücken. Wie ist das bei STIHL?

PROCHASKA In unserer Nachhaltigkeitsstrategie mit den Fokusfeldern Ökosysteme, Kreisläufe und Sorgfalt haben wir uns anspruchsvolle Ziele gesetzt, die wir mit sehr vielen Projekten und Aktivitäten konsequent verfolgen – und diese rücken für uns in der Priorität bestimmt nicht nach hinten. Als Unternehmen, das seine Wurzeln in der Forstwirtschaft hat und Produkte für die Arbeit in der Natur herstell, fühlen wir uns einer nachhaltigen Lebensweise und nachhaltigem Wirtschaften seit jeher verpflichtet. Als familiengeführtes Unternehmen denken wir nicht in Quartalen, sondern in Generationen.  

Die Vorgaben des Green Deals sind für uns Ansporn und Chance zur Weiterentwicklung, statt bloße Verpflichtung oder Risiko. So investieren wir hohe Budgets in die Entwicklung von Batterieantrieben und -geräten, ressourcenschonenden und recyclebaren Produkten, Eco-Fuels sowie in neue Geschäftsmodelle. Zudem gewährleisten wir durch gezielte Investitionen, dass unsere Produkte reparierbar sind bei unseren über 55.000 Fachhändlern. 

Wichtig ist, dass Nachhaltigkeit sich in alle Fachbereiche des Unternehmens verwebt und nicht Aufgabe einer Nachhaltigkeitsabteilung bleibt. Die Transformation hin zu mehr Nachhaltigkeit erfordert einen langen Atem und hohe Investitionen – sie ist ein Marathon und kein Sprint. 

Verlagerungen von Produktionen, auch in andere Weltregionen, stehen bei vielen Unternehmen aktuell auf der Prioritätenliste. Wie ist es bei STIHL und welche Herausforderungen sind damit verbunden?

PROCHASKA STIHL hat seit Jahrzenten einen funktionierenden weltweiten Produktionsverbund, unsere Werke in Brasilien und in den USA bestehen beispielsweise seit etwa 50 Jahren. Auch in Asien und Osteuropa sind wir vertreten. Entscheidender Erfolgsfaktor unserer globalen Produktion ist die Spezialisierung der einzelnen Werke auf bestimmte Produkte und Komponenten. Doch dabei bleibt eines immer konstant: die bewährte STIHL Qualität. An allen Standorten wird nach gleichen Qualitätsmaßstäben und auf technologisch höchstem Niveau gefertigt. Um das zu gewährleisten, setzen wir auch auf einen stetigen Wissenstransfer und regelmäßige Schulungen. Job-Rotationen, Entsendungen von Mitarbeitenden und ein aktiver Austausch über Kontinente hinweg sind fest in unserem Unternehmensalltag verankert. 

Es gibt erste Anzeichen, dass die schwächelnde Konjunktur und Effizienz-Vorteile von Automation sich auf den Arbeitsmarkt auswirken. Wie ist es bei Ihnen im Unternehmen, in welchen Bereichen sehen Sie trotzdem weiterhin Bedarf an Fachkräften?

PROCHASKA Mit den technologischen Transformationen von Verbrennungsmotoren hin zu Akkuantrieben, aber auch bedingt durch die zunehmende Digitalisierung und weiterer Entwicklungen ist die Integration neuer Kompetenzen in unser Unternehmen unerlässlich. Wir suchen vor allem Fachkräfte in den Bereichen Akkutechnologie, Elektronik, Mechatronik, Robotik, Informatik und Digitalisierung.  

Gleichzeitig bleiben jedoch die Kompetenzen in der Verbrennertechnologie für die Weiterentwicklung unserer Produkte wichtig, etwa zur Reduzierung des Kraftstoffverbrauchs. Die Verbesserung von Anwendungen in Forst und Garten – zum Beispiel Sägen, Mähen, Schneiden – steht bei uns ebenfalls weiterhin im Fokus. Unsere Kompetenzen in diesen Bereichen sind Basis für den Erfolg unserer Produkte auf den Weltmärkten.  

Welche Rolle spielen die Kompetenz und das Ausbildungssystem, um die Rolle des Standortes Deutschland zu stärken?

PROCHASKA Eine gute und anforderungsgerechte Ausbildung ist eine wesentliche Grundvoraussetzung für den wirtschaftlichen Erfolg von Industrien. Das deutsche Ausbildungssystem wird weiterhin seinen hohen Stellenwert behalten, weil es einzigartig ist. Es versorgt die Unternehmen mit kompetenten und gut ausgebildeten Fachkräften. Gerade in einer Zeit, die sehr stark durch Transformation und sich rasch verändernde Bedingungen gekennzeichnet ist, müssen die richtigen Qualifikationen und Kompetenzen durch Schulen, Hochschulen und Betriebe aufgebaut werden. Transformationsthemen, Digitalisierung, Data Science und Künstliche Intelligenz stehen heute besonders im Fokus.  

Nachdem man eine Grundqualifikation erworben hat, ist es für alle Mitarbeitenden entscheidend, während ihrer gesamten beruflichen Laufbahn lernbereit zu sein. Unternehmen müssen sich darauf einstellen und auf spezifische Bedarfe hin ausgerichtete Qualifizierungsmöglichkeiten schaffen. Die Verantwortung für erfolgreiche Aus- und Weiterbildungsaktivitäten ist somit auf mehrere Schultern verteilt: auf die der Lernenden, der Schulen, Hochschulen, Weiterbildungseinrichtungen und der Betriebe. Politik und Unternehmen sind dabei besonders gefordert, ihren Teil beizutragen. 

KI-Anwendungen werden in immer mehr Unternehmen implementiert. Wie weit sind Sie bei STIHL?

PROCHASKA Innerhalb der STIHL Gruppe beschäftigen sich viele Bereiche und Mitarbeitende seit Jahren mit den Möglichkeiten von KI. Im HR-Bereich, insbesondere im Recruiting, sind KI-Anwendungen in Form von Chatbots bereits erprobt und sehr erfolgreich im Einsatz. In der Produktion kommt KI beispielsweise bei der Qualitätssicherung zum Einsatz. Eine Bilderkennungs-KI kann im Montageprozess Kettenrad-Varianten unterscheiden oder auch ob ein Bauteil fehlt. Die KI analysiert das aufgenommene Bild und somit das verbaute Bauteil. Dieses ermittelte Bauteil wird mit der Auftragsstückliste abgeglichen und bei Unstimmigkeiten der Montageprozess unterbrochen. So wird sichergestellt, dass die verbaute Variante dem Sollzustand entspricht. Ein enormer Fortschritt, der noch vor fünf Jahren undenkbar gewesen wäre. Wir sind vom Potenzial digitaler Innovationen und von KI-Technologie überzeugt und arbeiten mit Hochdruck an diesen Themen, um unsere Wettbewerbsfähigkeit weiter zu stärken. 

 

Über Dr. Michael Prochaska

Dr. Michael Prochaska ist seit 2012 Vorstand Personal und Recht des Weltmarkt- und Technologieführers STIHL. Das Unternehmen entwickelt, fertigt und vertreibt akku-, elektro- und benzinbetriebene Geräte für die Forst- und Landwirtschaft sowie für die Landschaftspflege. Vor seinem Einstieg bei STIHL verantwortete Prochaska den Personalbereich in verschiedenen namhaften Konzernen. Mit seiner fast dreißigjährigen Erfahrung gehört der studierte Psychologe zu den Top-HR-Experten in Deutschland.

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