Fehlende Fachkräfte stellen die Wirtschaft vor immer akutere Herausforderungen. Auch bei der SMA Solar Technology AG stehen Personalthemen ganz oben auf der Agenda. Im Interview spricht Vorstandssprecher und Arbeitsdirektor Dr. Jürgen Reinert über veränderte Anforderungen an die Arbeitswelt, die Bedeutung von Wissenstransfer und Weiterbildung sowie über die erfolgversprechendsten Hebel, um im „War for Talents“ erfolgreich zu sein.
Herr Dr. Reinert, Sie sind seit vielen Jahren in der Solarbranche tätig – was hat sich in Bezug auf personalstrategische Herausforderungen verändert?
REINERT Die Breite der Themen hat sich in der Solarindustrie, wie in den meisten Branchen, spürbar erweitert. Die Energiewende stellt unsere Branche und die Gesellschaft insgesamt vor große Herausforderungen: Wie wollen wir sauberen Strom produzieren? Wie können wir ihn effizient und nachhaltig nutzen? Und wie kann die Vernetzung von Sektoren gelingen? Diese Fragen lassen sich, auch hier bei SMA, nicht mehr nur technisch beantworten. Um es plakativ zu sagen: Reichte es vor einigen Jahren noch, talentierte Ingenieurinnen und Ingenieure zu rekrutieren, brauchen wir heute eine Vielzahl von Fachkräften aus den unterschiedlichsten Bereichen: Software, Marketing, Nachhaltigkeit usw.
Vor welchen besonderen Herausforderungen stehen Sie derzeit in Bezug auf Fachkräfte-/Personalverfügbarkeit?
REINERT Wir bei SMA sind seit einigen Jahren auf dem Weg von einem Unternehmen, das Produkte für die Erzeugung von Strom herstellt, hin zu einem System- und Lösungsanbieter. Das heißt für uns, dass wir nicht mehr nur den Wechselrichter für die Solaranlage anbieten, sondern Energiemanagement-Applikationen, Ladelösungen und vieles mehr. Diese Komplexität hat natürlich auch Auswirkungen auf unsere Mitarbeitenden – sowohl für die, die wir schon haben und für die sich der Arbeitsalltag ändert und dynamisch entwickelt, als auch für die, die wir noch gewinnen möchten und die heute eine Vielzahl von Kompetenzen mitbringen sollen.
Als Unternehmen mit einem klaren Purpose haben wir hier sicher einen Vorteil im Kampf um die besten Leute. Aber wir stehen auch in einem harten Wettbewerb mit anderen Unternehmen – insbesondere in Ländern wie den USA oder Australien, wo wir noch nicht eine so große Bekanntheit im Markt haben.
Welchen Stellenwert haben „People“-Themen im Unternehmen, auf Führungsebene, und welche Dimensionen hat das Handlungsfeld angenommen?
REINERT Für uns ist klar: Unsere wichtigste Ressource ist die Kreativität und Innovationskraft unserer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Deshalb stehen Personalthemen für das Unternehmen und auch für mich persönlich ganz oben auf der Agenda.
Eine Dimension, die für uns eine wesentliche Rolle spielt, ist das Thema Internationalisierung. Wir sind in 20 Ländern vertreten, verkaufen unsere Lösungen und Produkte weltweit. Diesen internationalen Charakter unseres Geschäfts wollen und müssen wir auch in Bezug auf alle Aspekte der HR-Arbeit spiegeln. Das bringt strategische Fragen mit sich, aber auch ganz konkrete: Benefits, die zu unseren Mitarbeitenden in Nordhessen passen, sind nicht zwangsläufig für unsere australischen Kolleginnen und Kollegen geeignet.
Welche neuen bzw. veränderten Anforderungen gibt es beispielsweise in Bezug auf organisatorische Aufstellungen oder Vergütungsmodelle?
REINERT Flexible Arbeitsmodelle haben sich zum festen Bestandteil unserer Arbeitswelt entwickelt. Darauf haben wir uns eingestellt und arbeiten daran, unseren Mitarbeitenden hier gute Angebote zu machen. Die Anforderungen sind natürlich nicht überall gleich: Junge Eltern brauchen andere Modelle und Möglichkeiten als Berufseinsteiger oder ältere Arbeitnehmende. Deshalb ist es für uns wichtig, mit dem, was wir als Arbeitgeber bieten, alle Zielgruppen anzusprechen. Diese Diversität, die bei einem internationalen Unternehmen ja noch viel weiter geht und die wir bei SMA in der Belegschaft haben und fördern wollen, gilt es, bestmöglich in unsere Arbeitswelt zu integrieren, denn nur so können wir dem Fachkräftemangel begegnen und ein attraktives Arbeitsumfeld für alle Mitarbeitenden schaffen.
Diversität ist übrigens auch ein Thema bei der Vergütung: Die muss attraktiv sein – und dabei geht es insbesondere der jüngeren Generation nicht nur um das Gehalt, sondern auch darum, beispielsweise Zeit für Familie, Hobbies und Freunde zu haben.
Welche Rolle spielen die Bedürfnisse jüngerer Generationen? Gibt es Konflikte zwischen jüngeren und älteren Mitarbeitenden – oder aufgrund von unterschiedlichen Arbeitsbedingungen?
REINERT Wir sehen, dass gerade die jüngere Generation sich zunehmend wünscht, mit der eigenen Arbeit etwas Sinnhaftes zu schaffen und zum Beispiel an der Lösung großer Fragestellungen mitzuwirken. Für uns bei SMA ist das nichts Neues, unsere Mitarbeitenden waren immer schon von der Vision angetrieben, die Energieversorgung nachhaltig und sauber zu gestalten. Daher gibt es bei uns in dieser Frage keinen Konflikt zwischen den Generationen. Aber natürlich bringen die jungen Kolleginnen und Kollegen Ideen und Vorstellungen mit, beispielsweise im Bereich Digitalisierung oder New Work, die für die „alten Hasen“ unter uns neu sind. Hier können wir gut voneinander lernen.
In Hinblick auf die Arbeitsbedingungen ist unser Ziel, für alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter an allen Standorten weltweit die bestmöglichen Arbeitsbedingungen zu schaffen. Wir legen dabei zum Beispiel großen Wert auf ergonomische Arbeitsplätze nicht nur im Büro, sondern vor allem auch in der Produktion. Natürlich gibt es Unterschiede und eben auch Angebote, die wir in den operativen Bereichen nicht machen können, wie etwa das mobile Arbeiten. Aber hier versuchen wir, unser Angebot bedarfsgerecht anzupassen und haben beispielsweise Gesundheitsangebote im Portfolio, die an die Bedürfnisse unserer „Front-line Workers“ angepasst sind. Viele Angebote sind aber für alle Mitarbeitenden attraktiv, wie die betriebliche Altersvorsorge, Zuschüsse zu Job- oder Deutschlandticket oder Sonderurlaub.
Welche Bedeutung hat das Handlungsfeld Wissenstransfer und Weiterbildung, welche Konzepte verfolgen Sie bei SMA?
REINERT Das Wissen und die Kreativität unserer Kolleginnen und Kollegen sind unser größter Motor, deshalb ist es uns ein großes Anliegen, Wissen so gut wie möglich im Unternehmen zu vernetzen und dafür zu sorgen, dass unsere Mitarbeitenden sich weiterbilden können. Wir nutzen dabei sowohl eigene Angebote, die wir zum Teil auch in unserer „Solar Academy“ anbieten, als auch externe Weiterbildungen. Und ein weiteres wichtiges Instrument ist die Vernetzung der Mitarbeitenden untereinander und auch mit anderen Unternehmen, das wir mit Angeboten wie „Working Out Loud“ aktiv unterstützen. Wichtig ist uns, dass wir eine Kultur haben, in der jeder und jede sich einbringen kann und soll, um kreativ nach Lösungen zu suchen. Das ist glaube ich auch ein Stück weit das Besondere bei SMA.
Eine weitere Besonderheit ist der Erfindergeist bei SMA: Gerade erst haben wir auf unserem Sommerfest wieder mehr als 70 sogenannte „Erfinderwürfel“ vergeben. Diese bekommen Mitarbeitende, deren Arbeit zur Anmeldung von Patenten geführt hat. Die sind in unserem Feld natürlich von immenser Bedeutung und die Entwicklung von Patenten Teil unserer DNA und Zukunftsfähigkeit – darauf sind wir stolz.
Welche weiteren Trends sehen Sie, die an Bedeutung noch gewinnen werden?
REINERT Wir müssen als Unternehmen in Zukunft genauso innovativ, anpassungsfähig und flexibel sein, wie wir es uns von unseren Mitarbeitenden wünschen. Denn nur wer als Arbeitgeber auf Anforderungen und Veränderungen schnell reagieren kann, wird im volatilen Umfeld wettbewerbsfähig bleiben können. Diese Anpassungsfähigkeit schafft man nur, wenn alle an einem Strang ziehen. Und da schließt sich für mich der Kreis – denn bei SMA haben wir eine lange Tradition der Zusammenarbeit und der Innovationskraft. Deshalb sehen wir uns für die Herausforderungen der Zukunft gut aufgestellt.
Über Dr. Jürgen Reinert:
Dr. Jürgen Reinert ist Vorstandssprecher und Arbeitsdirektor der SMA Solar Technology AG, einem weltweit führenden Hersteller von Photovoltaik-Systemtechnik. Seit 2014 im Vorstand, verantwortet Reinert in aktueller Position die Ressorts Strategie, Vertrieb und Service, Personal, Operations und Technologie. Nach seinem Einstieg 2011 baute Reinert zunächst als Executive Vice President Technology die SMA Division Power Plant Solutions aus. Seine Karriere in der Energiewirtschaft begann Reinert 1999 bei einem schwedischen Energieunternehmen. Zuvor war der Elektrotechnik-Ingenieur am Institut für Stromrichtertechnik und Elektrische Antriebe (ISEA) der RWTH Aachen tätig, wo er auch promovierte.