Oliver Maassen, CHRO bei TRUMPF, im Interview

„Mehr HR-Kompetenz in deutschen Aufsichtsräten, bitte!“

Im „War for Talents“, der gerade in der Industrie voll zuschlägt, ist Retention das HR-Gebot der Stunde. Wie man als Arbeitgeber heute attraktiv bleibt, erklärt Oliver Maassen, CHRO beim Technologieunternehmen TRUMPF, exklusiv im Interview. Der Experte plädiert für Reverse Mentoring mit der Gen Z, empfiehlt zielgerichtete Maßnahmen gegen die Vereinsamung von Führungskräften, und freut sich über den – aus seiner Sicht aber noch ausbaufähigen – Siegeszug der HR.

Herr Maassen, was ist das People-Thema, das Trumpf aktuell am meisten beschäftigt? Wie plant Trumpf dieses Thema anzugehen?

MAASSEN Retention ist das neue Recruiting, also Mitarbeitende binden wird wichtiger als Mitarbeitende finden. Davon sind auch wir überzeugt. Wenn die Märkte leerer werden, dann kommt es für die Unternehmen immer mehr darauf an, die Leistungsträger im Unternehmen zu halten. Ein Personalerspruch sagt: Menschen kommen wegen des Unternehmens und gehen wegen der Führungskraft. Und weil das wirklich so ist, werden wir uns mit Leadership noch stärker beschäftigen als je zuvor. Was braucht eine Führungskraft, um die oben angesprochene Bindungswirkung zu erzeugen? Dieser Frage gehen wir nach. 

Und welches weitere Thema bewegt Sie gerade besonders mit Blick auf die Zukunft?

MAASSEN Alle sprechen über AI beziehungsweise KI, also über die Frage, inwieweit die künstliche Intelligenz unsere Arbeit verändert. Ich sehe zwei Ebenen: zum einen, welche Arbeitsplätze verändern sich durch den Einsatz von KI, welche neuen Kompetenzen und Skills brauchen unsere Mitarbeitenden. Und zum anderen, welche Anwendungsgebiete für KI sehen wir in der Personalarbeit. Diesen Fragestellungen nähern wir uns gerade – und ich bin sehr gespannt, wie wir die Technologien in den nächsten Jahren für uns nutzen werden. 

Wie können sich Unternehmen in den aktuellen Zeiten des „War for Talents“ abheben, beispielsweise im Bereich Unternehmenskultur?

MAASSEN Familienunternehmen und der Mittelstand haben hier einen klaren Vorteil: Sie sind meist übersichtlich, verfügen über ein klares Werteverständnis und kümmern sich besonders um die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Darauf darf man sich aber nicht ausruhen, deshalb spielen flexible Arbeitsmodelle (Wahlarbeitszeit, Sabbatical, etc.) und Unterstützung in privaten Belangen (eigene KITA, Fitnessstudio etc.) bei uns ebenfalls eine Rolle. 

Was ist aus Ihrer Expertensicht und Ihrer persönlichen Erfahrung nach das Allerwichtigste, das man als Topführungskraft im Bereich Führung beachten sollte?

MAASSEN Gerade die sogenannten Topführungskräfte leiden oft unter einer gewissen Vereinsamung, obwohl sie es manchmal gar nicht bemerken. Weniger Kolleginnen und Kollegen auf Augenhöhe, mehr Wettbewerb, eine gewisse Lernresistenz, weniger Mentoring und Coaching führen auf diesen Ebenen zu geringer Reflektion des eigenen Führungsverhaltens. Und damit kann schlimmstenfalls ein gewisser Narzissmus entstehen, der toxische Züge annehmen kann. Diesen quasi „natürlichen“ Verlauf der Vereinsamung auf dem Weg nach oben gilt es zu durchbrechen und über Coaching, Peer-Reflektion etc. immer wieder einen Spiegel der eigenen Führung vorgehalten zu bekommen. 

Wie gehen Sie bei TRUMPF mit den besonderen Anforderungen, Einstellungen und Verhaltensweisen von jüngeren und älteren Generationen um – haben diese Einfluss auf Ihr Leadership-Modell?

MAASSEN Da freue ich mich, eines meiner Lieblingsinstrumente beschreiben zu dürfen: Reverse Mentoring. Meine Mentorin ist Anfang 20, als Studierende der Dualen Hochschule Baden-Württemberg (DHBW) bei uns, und ich bin ihr Mentee. Wir sprechen über unsere unterschiedlichen Generationen, unsere Einstellungen, Werte, Handlungsweisen. Extrem lehrreich für mich, um besser zu verstehen, wie die Generation Z tickt. Und hoffentlich kann sie von mir auch Denkanstöße mitnehmen. 

Was begeistert Sie an Ihrer Rolle als CHRO – und wie hat sich diese verändert, gerade auch in den letzten Jahren?

MAASSEN Das besondere an der Personalarbeit und somit auch an meiner Rolle als CHRO ist es, immer wieder die Interessen der Mitarbeitenden und die Anforderungen des Unternehmens gegeneinander abzuwägen und idealerweise in Einklang zu bringen. 

Es freut mich besonders, dass in den vergangenen Jahren der Stellenwert der HR-Funktion endlich da ist, wo er hingehört. CEO, CFO und CHRO sind das Kraftdreieck der Unternehmensführung, die Ressourcen Geld und Mensch haben so ihre zentrale Bedeutung. Unverständlich ist es daher für mich, dass immer noch viele Unternehmen keine eigenständige HR-Funktion im Vorstand bzw. der Geschäftsführung etabliert haben. 

Und wenn ich einen Wunsch frei hätte: Mehr HR-Kompetenz in deutschen Aufsichtsräten, bitte! 

 

Über Oliver Maassen:

Oliver Maassen ist seit 2020 Vorstand und Chief Human Resources Officer (CHRO) bei der TRUMPF SE + Co. KG, wo er zuvor den Bereich “Group Human Resources” leitete. Vor seinem Einstieg beim international tätigen Technologieunternehmen im Jahr 2017 war Maassen als Geschäftsführer einer Unternehmensberatung tätig. Seine Karriere als HR-Spezialist begann Maassen Anfang der neunziger Jahre im Bankensektor und war zuletzt Bereichsvorstand Personal der Hypovereinsbank. Der gebürtige Hamburger absolvierte ein BWL-Studium sowie eine Ausbildung zum Bankkaufmann. 

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