Inwiefern verändern sich die Anforderungen an die Arbeitswelt? Welche Rolle spielt Diversität hierbei? Und wie kann man sich als Arbeitgeber in Zeiten des Fachkräftemangels von anderen Unternehmen abheben? Diese und weitere Fragen beantwortet Sabine Abfalter, CFO bei der Raiffeisen Bank International AG (RBI), im Interview.
Frau Abfalter, was ist das People-Thema, das Sie im Finance-Bereich derzeit am meisten beschäftigt?
ABFALTER Wir arbeiten in einem People-Business, viele unserer täglichen Themen betreffen also People. Eine interessante Entwicklung, die mich aber seit längerer Zeit beschäftigt: Viele Fachbereiche gewinnen laufend an Komplexität. Denken wir zum Beispiel an die Regulatorik. Der relative Anteil an Expertinnen und Experten mit hohem Spezialisierungsgrad ist also signifikant höher als noch vor wenigen Jahren. Die eigentliche Herausforderung liegt für uns darin, Personen zu entwickeln, die trotz steigender Komplexität den Überblick behalten, Gesamtzusammenhänge ausreichend detailliert verstehen und damit auf allen Ebenen zu einer verbesserten Entscheidungsfindung beitragen.
Sehen Sie veränderte Anforderungen von Mitarbeitenden, z.B. jüngerer Generationen, in Ihrem CFO-Verantwortungsbereich – und wie reagieren Sie darauf?
ABFALTER Die Arbeitsgewohnheiten haben sich in den letzten Jahren stark verändert oder sagen wir besser diversifiziert. Mitarbeitende haben konkrete und voneinander abweichende Vorstellungen darüber, wie, wie viel und von wo aus sie arbeiten möchten. Wir versuchen hier als Arbeitgeber flexibel zu sein und Rahmenbedingungen zu schaffen, die hybride und unterschiedliche Arbeitsweisen ermöglichen und gleichzeitig effektive Zusammenarbeit in Teams fördern.
Diversity gewinnt immer mehr an Bedeutung. Welche Herausforderungen sehen Sie in diesem Kontext und wie geht die RBI damit um?
ABFALTER In der RBI arbeiten Menschen mit 79 Nationalitäten, fünf Generationen, 46 Prozent Frauen und viele Menschen mit unterschiedlichen Fähigkeiten und Bedürfnissen. In den letzten Jahren setzen wir außerdem besonderen Fokus auf die Stärkung der LGBTIQ+-Community. Diversität war in der langen Geschichte der RBI immer einer der wichtigsten Faktoren für Erfolg und wird das auch bleiben.
Wichtig ist, dass unser Arbeitsumfeld nicht „nur“ divers, sondern vor allem auch inklusiv ist. Wir verfolgen auch hier viele Initiativen. Vereinbarkeit von Beruf und Familie ist eine davon, die mir persönlich sehr am Herzen liegt, und die mit dazu führen soll, den Anteil an Frauen in Führungspositionen zu erhöhen: Wir möchten bis Ende 2026 auf 30 Prozent in Aufsichtsrat, Vorstand und Topmanagement kommen. In unseren Ländern sind bereits heute 34 Prozent der Topmanagement-Positionen mit Frauen besetzt.
Wie sehen Sie steigende Budgets durch gestiegene Personalkosten oder zusätzliche Investitionen in die Aus- und Weiterbildung des Personals?
ABFALTER Wir legen sehr viel Wert auf eine hohe Qualifikation unserer Mitarbeitenden. Das muss mit einer fairen Bezahlung und adäquaten Investitionen in Aus- und Weiterbildung einhergehen. Inflationsbedingter Kostendruck betrifft uns aber natürlich ebenso stark wie andere Unternehmen. Dazu kommen arbeitsmarktbedingte Engpässe in einigen unserer Länder. Wir adressieren diese Herausforderung zum Beispiel mit neuen Zusammenarbeitsmodellen in der Gruppe und der verstärkten Nutzung interner Servicecenter statt externer Dienstleister.
Welches Potenzial sehen Sie beim Thema KI und Automation, inwieweit werden die neuen digitalen Möglichkeiten Personalengpässe entspannen?
ABFALTER Wir begegnen der Digitalisierung seit Jahren proaktiv. Sie eröffnet uns laufend neue Möglichkeiten in allen Unternehmensbereichen, bringt neue Risiken, die es zu adressieren gilt, stellt uns vor neue Herausforderungen. Die Anforderungen an Mitarbeitende verändern sich dadurch laufend. Einfache Tätigkeiten können immer wieder ersetzt werden, aber Personalbedarf fällt oft nicht weg, da neue Aufgabengebiete entstehen. Aus- und Weiterbildung ist also wichtig.
Welche Maßnahmen unternimmt die RBI, um sich in den aktuellen Zeiten des „War for Talents“ abzuheben?
ABFALTER Unser Anspruch ist es, "employer of choice" für vielfältige Menschen mit einem breiten Spektrum an Fähigkeiten zu sein. Unsere Mitarbeitenden sind unser größtes Kapital und wir setzen Maßnahmen, sie entsprechend ihrer Stärken einzusetzen, zu fordern und zu fördern. Wir beschäftigen uns mit Barrieren, unterstützen mobiles Arbeiten, eine gesunde Work-Life-Balance, erweitern die Karrieremöglichkeiten innerhalb unseres Konzerns und sorgen dafür, dass Lernen ein fester Bestandteil unserer täglichen Routine wird. Unsere Ambitionen zahlen sich aus: Wir freuen uns sehr über das steigende Interesse an der RBI als Arbeitgeber im ersten Halbjahr 2023.
Sie sind eine erfahrene CFO in einem internationalen Unternehmen, welchen Tipp zur Mitarbeiterführung haben Sie für unsere Leserschaft?
ABFALTER Ich glaube nicht an universal einsetzbare Tipps. Meine persönliche Erfahrung zeigt, dass Führungskompetenz erarbeitet werden kann und erhalten werden muss. Ich investiere viel Zeit, meine eigenen Führungsfähigkeiten zu reflektieren. Coaching-Gespräche und Feedback von Vertrauenspersonen helfen mir, mein Verhalten zu optimieren und zu korrigieren.
Über Sabine Abfalter:
Sabine Abfalter ist seit 1. März 2022 CFO der Raiffeisen Bank International AG (RBI). Zuvor leitete die Finanzexpertin den Bereich Group Finance Services der RBI. Ihre Karriere startete die Betriebswirtin bei PwC, wo sie als Partnerin in der Abschlussprüfung tätig war und in verschiedenen Führungspositionen zahlreiche Transformationsprojekte leitete.