Vom Greentech-Startup zum Marktführer für Wärmepumpen und Solaranlagen für den Privatgebrauch – Enpal, das derzeit wachstumsstärkste Energieunternehmen Deutschlands, hat in Rekordzeit geschafft, wovon viele träumen. Wie das junge Unternehmen dieses Wachstum kurz- und langfristig stemmt und welche Rolle KI in der Wachstumsstrategie spielt, erklärt Benjamin Merle, Chief Product Officer bei Enpal, im Interview.
Enpal ist seit der Gründung rasant gewachsen. Was war Ihr Geheimnis, dieses Wachstum als junges Startup erfolgreich zu managen? Und wo soll es langfristig hingehen?
MERLE Wir verfolgen seit Jahren einen Masterplan: Wir haben mit Solaranlagen begonnen, als Grundprodukt oder Minimum Viable Product (MVP). Heute aber sind wir ein vollintegriertes Unternehmen für erneuerbare Energie, bei dem Solar nur ein Teil des Ökosystems ist. Wir bieten auch flexible Finanzierungslösungen, Wärmepumpen und intelligentes Energiemanagement aus einer Hand. Das haben wir alles inhouse schrittweise in Speed Boats entwickelt.
Unsere Philosophie ist, dass das Unternehmen dynamischer und innovativer werden muss, je größer es wird. Das klappt auch: Die Marktführerschaft für Wärmepumpen konnten wir schon zwei Jahre nach Start unseres Wärmepumpen-Geschäfts erreichen, rein durch organisches Wachstum und ohne Zukäufe. Dafür haben wir bei Solar noch doppelt so lange gebraucht.
Welchen Stellenwert haben Themen um Wachstumschancen in Ihren Vorstands- bzw. Führungskräftemeetings?
MERLE Wachstum ist eine wichtige KPI. Genauso besprechen wir in jedem Meeting auch unsere KPIs zu Kundenzufriedenheit und Qualität. Das ist im Übrigen die Grundlage für künftiges Wachstum. Wir sind durch die zurecht hohen Anforderungen unserer Finanzierungspartner auch dazu gezwungen, die Qualität der Anlagen sehr penibel zu dokumentieren und sehr hohe Standards einzuhalten. Schon daher achten wir sehr stark auf die Qualität.
Sie haben sich erfolgreich als Deutschlands erstes "Greentech Unicorn" positioniert - wo sehen Sie noch Wachstumshürden für Enpal, bspw. durch ein sich immer wieder veränderndes regulatorisches Umfeld?
MERLE Der Solarmarkt gilt zurecht als “Solarcoaster”: Er ist geprägt von teils heftigen Ausschlägen. Dieses Jahr ist der Markt um rund ein Drittel eingebrochen. Daher muss man sich resilient, oder besser, antifragil aufstellen. Wir haben dies vorausschauend gemacht, das war alles bereits seit Langem in der Strategie unseres Masterplans vorgesehen. Ein Beispiel: Unsere Multi-Produkt-Strategie, die auch massiv auf Wärmepumpen setzt, ist gut aufgegangen.
In vielen Wirtschaftszweigen hat Nachhaltigkeit als drängendes Managementthema an Bedeutung verloren – für Enpal dürfte das anders sein. Ist das Ihre Chance, als Pionier aufzutreten?
MERLE Nachhaltigkeit ist Kern unseres Geschäftsmodells. Wir überzeugen unsere Kundinnen und Kunden aber mit ganz anderen Vorteilen: Sie sparen Energiekosten, können mit dem Verkauf ihres Stroms an der Strombörse sogar noch Geld verdienen. Und sie machen sich unabhängig von fossiler Energie, sie werden selbst zu Produzenten. Diese Unabhängigkeit ist den Menschen sehr wichtig. Klimaschutz liegt den Leuten auch am Herzen, aber die meisten werden überzeugt, weil sie Geld sparen und sich unabhängig machen.
Welche Rolle spielen Technologien, insb. KI, bei der Wachstumsstrategie von Enpal?
MERLE Energiewende geht nicht ohne KI. Hunderttausende dezentrale Erzeuger, Speicher und Verbraucher (wie E-Autos und Wärmepumpen) müssen vernetzt und gesteuert werden. Dazu kommt: Sonne und Wind liefern unstete Stromproduktion. Eine Lösung sind virtuelle Kraftwerke, die KI-gestützt alle Anlagen vernetzen, und die Produktion mit dem Verbrauch ausbalancieren.
Mit Enpal.One schaffen wir das größte virtuelle Kraftwerk in Europa. Damit vernetzt Enpal die Speicher, E-Autos und Solaranlagen von Privathaushalten mit der Strombörse. Gibt es zu viel Solar- und Windstrom im Netz, saugt das virtuelle Kraftwerk den Strom auf und lädt E-Autos, Speicher und Wärmepumpen – immer öfter sogar zu negativen Strompreisen. Ist Strom dagegen knapp, weil keine Sonne scheint oder kein Wind weht, pausiert das virtuelle Kraftwerk das Laden und gibt den Strom aus den Speichern (und bald den E-Autos) wieder ans Netz ab – und verdient Geld für die Haushalte.
Das ist also ein Win-win-win: Die Haushalte sparen und verdienen Geld, der Netzausbau wird günstiger, und die dezentrale Energiewende wird überhaupt erst ermöglicht.
Über Benjamin Merle
Benjamin Merle ist seit 2020 Chief Product Officer (CPO) bei Enpal. Die Enpal, gegründet 2017, verkauft Photovoltaik-Anlagen und Wärmepumpen an Endkunden und vernetzt sie zu einem virtuellen Kraftwerk. Enpal hat bereits mehr als 80.000 Solaranlagen installiert und trägt so zur Energiewende bei. Vor Enpal baute Benjamin den deutschen Standort von Aurora Energy Research auf, einer datengetriebenen Energiemarktberatung aus Oxford, und war Berater bei McKinsey. Er studierte International Business Administration an der Erasmus University in Rotterdam und Environmental Change and Management an der University of Oxford.