Daniel Grieder, CEO von HUGO BOSS, offenbart im Interview, wie das Unternehmen seine Wachstumsstrategie CLAIM 5 erfolgreich umsetzt und es schafft, in gesättigten Märkten und trotz starker Konkurrenz profitable Resultate zu erzielen. Der Experte erklärt, wie die Marke ihre Produktpalette und Omnichannel-Strategie erweitert hat, um neue Zielgruppen zu erreichen. Zudem geht er auf die Rolle von Innovation und Nachhaltigkeit in der Modebranche ein und zeigt auf, wie Künstliche Intelligenz und Digitalisierung bei HUGO BOSS das Wachstum unterstützen.
Einige deutsche Traditionsmarken sind in jüngster Zeit in die roten Zahlen gerutscht oder mussten sogar Insolvenz anmelden. HUGO BOSS wächst. Was macht Ihr Unternehmen anders?
GRIEDER Wir haben die richtige Strategie zur richtigen Zeit, und wir setzen diese konsequent um. Wir haben mit einer umfangreichen Markenerneuerung unsere Marken BOSS und HUGO wieder relevant gemacht und mit einer Social-First-Marketing-Strategie vor allem auch neue und jüngere Zielgruppen angesprochen.
Zudem haben wir viel in das Produkt investiert, unsere Produktpalette neu definiert und mit unserem 24/7 Lifestyleansatz zusätzliche Marktanteile gewonnen. Unsere DNA ist natürlich nach wie vor der Anzug, aber heute kleiden wir Männer und Frauen letztlich rund um die Uhr für alle Anlässe perfekt ein – von Sportbekleidung über Outdoorjacke und Kapuzenpulli bis hin zum Anzug. Diesen haben wir auch weiterentwickelt zum Performance-Anzug, bei dem wir Materialien aus dem Sportbereich einsetzen für mehr Komfort und Funktion.
Und wir treiben die Digitalisierung in allen Unternehmensbereichen entlang der gesamten Wertschöpfungskette weiter voran und können jetzt schon von den Effizienzgewinnen dieser Investitionen profitieren.
Aus Ihrer persönlichen Sicht, woran hakt es oft bei Traditionsmarken, dass sie den Shift nicht gemeistert kriegen?
GRIEDER Ich will mir nicht anmaßen das von außen zu beurteilen. Aber das Entscheidende ist, als Marke relevant zu bleiben. Was heute gut ist, ist morgen vielleicht nicht mehr gut genug. Man muss sich daher ständig weiterentwickeln und genau zuhören, was die Kunden wollen. Wir sind bei HUGO BOSS überzeugt, dass Innovation ein wichtiger Wachstumstreiber ist und essenziell für die Zukunft eines Unternehmens.
Viele Märkte sind gesättigt, es herrscht Verteilungskampf. Welche Wachstumschancen sieht Ihr Unternehmen fürs nächste Jahr/die nächsten Jahre – in welchen Regionen und Zielgruppen?
GRIEDER Unsere CLAIM 5 Strategie ist eine breit angelegte Wachstumsstrategie. Das heißt, wir wollen in allen Regionen, mit allen Marken und an allen Kundenkontaktpunkten wachsen. Vor allem wollen wir aber auch ein langfristiges, nachhaltiges und profitables Wachstum für HUGO BOSS generieren.
Um das Potenzial unserer Marken voll auszuschöpfen, haben wir unter BOSS die Markenlinien Orange und Green wieder eingeführt und zusätzlich unsere hochwertigste Linie BOSS Camel. Unter HUGO gibt es zudem die neue Linie HUGO Blue mit einem Fokus auf Denim. Damit haben wir bei unseren Handelspartnern wieder mehr Platzierungen und Visibilität erhalten und so weitere Marktanteile gewonnen. Wir haben unser Sortiment zudem mit Lizenzprodukten ergänzt und sprechen darüber ebenfalls neue Zielgruppen an, zum Beispiel mit Reitsport- und Fahrradbekleidung oder Hundeaccessoires. Wir sehen daher Wachstumschancen bei bestehenden und auch neuen Produktgruppen.
Im Vertrieb setzen wir auf eine Omnichannel-Strategie. Wir wollen überall dort sein, wo der Kunde uns erwartet – sei es in eigenen Läden, bei unseren Handelspartnern oder Online. Jeder Kanal erfüllt spezifische Kundenbedürfnisse. Unseren Onlinestore hugoboss.com rollen wir gerade auch in weitere Länder aus. Hinzu kommt das digitale Geschäft mit Partnern. Auch in unser Store-Netzwerk haben wir in den vergangenen Jahren massiv investiert. Es geht also nicht um den einen Kanal oder die eine Region, sondern die gesunde Balance weltweit.
Inwieweit helfen Ihnen neue Technologien wie KI, ihre Wachstumsziele zu erreichen?
GRIEDER Unsere Vision ist es, die weltweit führende technologiegesteuerte Modeplattform im Premiumbereich zu sein, und „Lead in Digital“ ist eine der fünf Säulen unserer CLAIM 5 Strategie. Dazu gehört natürlich auch der Einsatz von KI-Systemen, um Arbeitsabläufe schneller und effizienter zu gestalten, Daten richtig zu analysieren und noch bessere Ergebnisse zu erzielen.
Wir setzen zum Beispiel KI-basierte Chatbots in der Kunden- und Produktberatung in unserem Onlinestore ein und erzielen damit höhere Conversion-Raten. Wir haben auch einen eigenen internen HUGO BOSS KI-Assistenten und schulen unsere Mitarbeiter im Umgang mit KI.
Wie definieren Sie Wachstum im Sinne einer erfolgreichen Weiterentwicklung Ihres Unternehmens abseits von Umsatz und EBIT?
GRIEDER Unser Ziel ist es, den Unternehmenswert von HUGO BOSS nachhaltig zu steigern. Dabei konzentrieren wir uns auf die langfristige Maximierung des Free Cashflows, um das langfristige Wachstum des Unternehmens zu unterstützen. CLAIM 5 ist demnach eine Wachstumsstrategie, und es geht in erster Linie darum die richtige Basis zu legen, um in Zukunft weiter, und vor allem nachhaltig, wachsen zu können. HUGO BOSS ist heute eine Plattform, auf der neben BOSS und HUGO in Zukunft zum Beispiel auch andere Marken Platz haben. Und neben Umsatz und EBIT setzen wir zudem als zentrale Steuerungsgrößen auch auf das kurzfristige operative Nettovermögen und eine wertorientierte Investitionspolitik.
Was sind die größten Herausforderungen für Ihr Unternehmen bzw. auch ihre Branche?
GRIEDER Für die Modebranche ist das Thema Nachhaltigkeit derzeit eine der größten Herausforderungen. Mikroplastik ist zum Beispiel ein großes Problem der Modeindustrie, das wir als Unternehmen aktiv mit angehen. Wir haben uns zum Ziel gesetzt, bis 2030 Polyester und Nylon in unseren Kollektionen vollständig durch alternative Materialien zu ersetzen. Hierzu sind wir eine langfristige Partnerschaft mit HeiQ eingegangen, einem Schweizer Innovator in der Textilindustrie, und haben auch in das Unternehmen investiert.
Unsere Nachhaltigkeitsstrategie zielt darauf ab, unseren Planeten frei von Abfall und Verschmutzung zu halten. Bei diesen Themen wollen wir eine Vorreiterrolle in der Modebranche spielen. Dabei sind auch Daten für uns ein entscheidender Erfolgsfaktor, um zielgerichteter auf die Kundenbedürfnisse hin zu produzieren und Überproduktionen zu vermeiden. Hierfür spielt auch unser Digital Campus, aus Teams in Metzingen und Porto, eine wichtige Rolle. Die Teams dort arbeiten an drei Hauptthemenbereichen: E-Commerce, Advanced Business Analytics und Data Analytics.
Welche Verbesserung von Rahmenbedingungen – hier in Deutschland – würde sich für Ihr Unternehmen am schnellsten / stärksten wachstumsfördernd auswirken?
GRIEDER Ein entscheidender Hebel wäre es die Bürokratie abzubauen und die Prozesse zu vereinfachen. Unternehmen werden hierzulande meines Erachtens viel zu oft Steine in den Weg gelegt. Ich würde mir daher wünschen, dass die Politik noch stärker auf die Wirtschaft zugeht, um mit den Unternehmen zu sprechen und gemeinsam die besten Lösungen für die Zukunft zu finden. Der Standort Deutschland und auch Europa als Ganzes dürfen nicht ihre Wettbewerbsfähigkeit in der Welt verlieren.
Wie sehr identifiziert sich HUGO BOSS (noch) als deutsches Unternehmen?
GRIEDER Wir sind ein internationaler Konzern mit deutschen Wurzeln. Unsere Produkte sind in 131 Ländern erhältlich. Wir haben weltweit 41 Vertriebstochtergesellschaften. Aber wir bekennen uns auch klar zu unserem Heimatstandort Deutschland. Wir haben auch hier die Weichen für weiteres Wachstum gestellt, indem wir unseren Firmensitz in Metzingen erweitern, ausbauen und aufwerten. Insgesamt investieren wir hier über 100 Millionen Euro, was auch den Bau eines zusätzlichen Verwaltungsgebäudes umfasst. Und wir investieren weitere 100 Millionen Euro in unser Logistikzentrum vor den Toren Stuttgarts.
HUGO BOSS hat 2024 sein 100-jährigens Jubiläum gefeiert. Unser Ziel ist es, eine gesunde Basis zu schaffen, sodass das Unternehmen auch die nächsten 100 Jahre bestehen kann.
Über Daniel Grieder
Daniel Grieder ist seit Juni 2021 CEO und Vorstandsvorsitzender der HUGO BOSS AG. Dort verantwortet er mehrere Business Units, die Bereiche Unternehmensstrategie, Global Marketing, Produktentwicklung und Beschaffung, Lizenz-Management, HR sowie Corporate Communications. Zuvor war er maßgeblich an der Etablierung von Tommy Hilfiger in Europa beteiligt und wurde 2008 CEO von Tommy Hilfiger Europe. Nach der Integration der Marke in die PVH Corporation wurde er 2014 CEO und Präsident von Tommy Hilfiger Global und PVH Europe.