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Gestärkt aus Krisen hervorgehen: Risikomanagement auf dem Prüfstand

Die drastische Verbreitung von COVID-19 macht den hohen Stellenwert eines modernen und gut aufgestellten Risikomanagements deutlich. Insbesondere in wirtschaftlich schweren Zeiten zeichnet sich ein erfolgreiches Risikomanagement durch seinen Wertbeitrag zur maßgeblichen Existenzsicherung des Betriebes und der Arbeitsplätze aus. Dabei besteht die Aufgabe der Risikomanager nicht nur darin, bedrohliche Entwicklungen und die damit verbundenen Auswirkungen frühzeitig zu erkennen, sondern auch Gegenmaßnahmen zu definieren und Handlungsempfehlungen auszusprechen.

Ein systematisches Risikomanagement befähigt Unternehmen, unsichere, dynamische und existenzbedrohende Situationen kontinuierlich zu überwachen und dem Management somit die Möglichkeit zu geben, schnell und vorausschauend zu reagieren, um ihr Unternehmen bestmöglich durch die Krise zu führen.

Um strategische, unternehmensbedrohende globale Risiken rechtzeitig zu erkennen und das Unternehmen auf diese vorzubereiten, sind die traditionellen Bewertungs- und Berichtszyklen (jährlich, halbjährlich, quartalsweise) sowie die häufig nur auf die Unternehmensgrenzen beschränkte Ausrichtung des Risikomanagements nicht mehr geeignet. Globale und externe Daten sind in das unternehmensweite Risikomanagement einzubeziehen, Risiken sind kontinuierlich zu bewerten und zu überwachen. So stellt beispielsweise die intelligente Verknüpfung makro- und mikroökonomischer sowie soziopolitischer Daten mit unternehmensinternen Daten neben der Verfügbarkeit von stets aktuellen Handlungsempfehlungen einen zentralen Erfolgsfaktor dar.

Externe Daten zur Identifikation zukünftiger Risiken

Daten gelten als eines der wertvollsten Güter im digitalen Zeitalter. Der technologische Fortschritt ermöglicht es, gigantische Datenmengen in Echtzeit zu verarbeiten, zu filtern und auszuwerten, welche mit bloßen menschlichen Fähigkeiten nicht zu erfassen sind. Die Verfügbarkeit und intelligente Nutzung von Daten sind essenziell. Unternehmen sollten bestehende Risikomanagement-Modelle deshalb auf den Prüfstand stellen. Neben einer gut strukturierten Organisation, die den Grundstein für ein erfolgreiches Risikomanagement bildet, sollten Unternehmen neue Parameter für die Erfassung von Risiken in Betracht ziehen. In Krisenzeiten verändern sich Marktgegebenheiten rasend schnell. Daher ist es umso wichtiger, die Entwicklungen im direkten Unternehmensumfeld, aber auch in der Weltwirtschaft, möglichst in Echtzeit zu verfolgen. Hierfür gilt es relevante, mehrwertstiftende Daten und deren Quellen zu identifizieren und diese in bestehende Modelle sinnvoll zu integrieren.

Durch die Entwicklung von Modellen zur Risikoquantifizierung ist es möglich, aus diesen Daten spezifische Bedrohungen zu identifizieren und deren Auswirkungen auf das Unternehmen einzuschätzen. Darüber hinaus ermöglichen Szenarioanalysen aus gegebenen Risiken, mögliche Folgen abzuleiten und darauf basierende Notfallpläne abzustimmen. Im Falle einer Pandemie wie COVID-19 können Unternehmen beispielsweise durch die Anzahl und Art von Berichterstattungen frühzeitig abschätzen, welche Regionen betroffen sein könnten und resultierende Folgen für ihr eigenes Geschäft ableiten. Zusätzlich können mikro- und makroökonomische Kennzahlen, wie das BIP, die Prognosen zur Arbeitslosenquote, Aktien- und Branchenindizes oder Warenbewegungen aus bereits betroffenen Märkten als Anhaltspunkte für künftige wirtschaftliche Auswirkungen dienen.
 

Auswirkungen auf das eigene Unternehmen abschätzen und frühzeitig reagieren

Um aus externen Daten einen konkreten Mehrwert für das eigene Unternehmen zu generieren, ist es notwendig, Schnittstellen bzw. Auswirkungen auf die eigenen Geschäftsprozesse zu identifizieren. Unternehmen müssen feststellen, welche Bereiche von aktuellen Bedrohungen betroffen sind. Dies können Produktionsniederlassungen im Ausland, ganze Vertriebsmärkte oder Lieferketten sein – das aktuelle Beispiel der COVID-19-Pandemie zeigt die besondere Abhängigkeit zwischen den einzelnen Gliedern der Wertschöpfungskette.

Zentrale Grundvoraussetzung hierfür ist die Transparenz und Kenntnis der wesentlichen Geschäftsprozesse im Ökosystem des Unternehmens. In Krisenzeiten zeigt sich weiterhin, dass die Verzahnung von Risiko- und Notfallmanagement (BCM) entscheidend ist. Um die Kernprozesse und -ressourcen zur Aufrechterhaltung des Geschäftsbetriebs frühzeitig sicherzustellen, bedarf es einer engen Verkettung der beiden Disziplinen. Die aktuelle Bedrohungslage muss laufend kommuniziert werden, um gemeinsam präventiv Notfallstrategien und Gegenmaßnahmen zu realisieren. Dabei empfiehlt es sich, bereits im Vorfeld die Geschäftsfunktionen zu identifizieren, die durch eine temporäre Nichtverfügbarkeit zu existenzbedrohlichen Folgen für das Unternehmen führen können.

Die derzeitige Lage macht deutlich, wie wichtig die Funktion des Risikomanagements als Informations-Hub ist, um den Führungsfunktionen eine erfolgreiche und dynamische Unternehmenssteuerung zu ermöglichen. Bei einer sorgfältigen Risikoüberwachung können Entscheider ihre Mitarbeiter und Wertschöpfungsketten bereits im Vorhinein auf bevorstehende Krisen vorbereiten, um möglichen Risiken präventiv entgegenzusteuern.

Erfolgreich durch die Krise

In der aktuellen Pandemie wird ersichtlich, wie wichtig es ist, verlässliche und umfangreiche Informationen zu haben, um bestmögliche Entscheidungen treffen zu können. Dabei ist es auch im Risikomanagement notwendig, aus der Komfortzone herauszutreten und neue Wege in der Datenanalyse zu gehen. Das Ziel ist es, das eigene Unternehmen aktiv durch die Krise zu steuern und gleichzeitig auf die Zeit danach vorzubereiten. Grundlage hierfür ist ein gut strukturiertes Risikomanagement, welches tagtäglich aktuelle Entwicklungen erfasst, präventiv Gegenmaßnahmen plant und in stetigem Austausch mit dem Notfallmanagement und der Unternehmenssteuerung ist. Zusätzlich offenbart der Zugang zu riesigen externen Datenmengen gepaart mit dem Einsatz moderner Technologien die Möglichkeit, Risiken in Echtzeit zu erfassen, was vor einigen Jahren noch undenkbar gewesen wäre.

Jede Krise hat eines gemeinsam: Danach ist es anders als zuvor. Denkweisen und Handlungen werden sich nachhaltig ändern und das alte Verhalten und Vorgehen wird aus neuen Blickwinkeln betrachtet oder gar durch neue Muster ersetzt. Das Risikomanagement kann jetzt dazu beitragen, erfolgreich durch die Krise zu navigieren und anschließend auf neue Wachstumswege zu gelangen. Es unterliegt nicht erst seit Beginn des Jahres 2020 dem Wandel von einer rein dokumentierenden hin zur steuerungsrelevanten Funktion. Die aktuelle Krise stellt jedoch das individuelle Risikomanagement eines jeden Unternehmens auf den Prüfstand. Es zeigt sich, inwieweit diese Transformation bereits vollzogen wurde.

Müllerschön, D. / Timm, C.