Interview auf businesscircle.at

Aktuelle Studie zeigt: Die digitale Transformation ist und bleibt das wichtigste Thema für CXOs von Versicherungen

Was beschäftigt derzeit die CxOs von Versicherungsunternehmen? Im Rahmen der jüngsten CxO Priorities Studie der Managementberatung Horváth wurden über 70 Vorstandsmitglieder von Versicherungsunternehmen in der DACH-Region zu ihren aktuellen strategischen Prioritäten befragt. Wir sprechen mit Martin Müller, Partner und Leiter des Bereichs Insurance bei Horváth, über die wichtigsten Ergebnisse der Studie.

Business Circle: Die CxO-Studie wurde nun zum fünften Mal durchgeführt. Welche Marktentwicklungen lassen sich im Vergleich zu den Vorjahren erkennen?

Müller / Die Branche steht unter erheblichem Druck: Stark gestiegene Schaden- und Leistungsaufwände, hohe Kosten für die digitale Transformation, die Sicherstellung operativer Resilienz, sowie der Aufwand für regulatorische Anforderungen belasten die Unternehmen zunehmend. Daher ist es nicht verwunderlich, wenn dadurch Themen wie Anpassung der Geschäftsmodelle, neue Vertriebspartnerschaften und innovative Ökosysteme in den Hintergrund rücken. Versicherer haben erkannt, dass es jetzt entscheidend ist, sich auf das Wesentliche zu konzentrieren – „Back to Basics“ hat daher aktuell höchste Priorität.

BC: Was bedeutet das konkret für die aktuelle strategische Agenda der CxOs von Versicherungsunternehmen?

Müller / Die größte Veränderung haben wir beim Thema Profitabilität feststellen können – kein grundsätzlich neues Thema für die CxOs, aber die strategische Relevanz hat enorm zugenommen im Vergleich zum Vorjahr. Die Auswirkungen sind vielfältig: Preiserhöhungen und Review von Produktbausteinen, aber auch grundsätzliche Hinterfragung des strategischen Portfoliomix und damit einhergehend strukturelle Sanierungen in spezifischen Produkt- und Kundensegmenten. Darüber hinaus sehen wir eine signifikante Zunahme von Aktivitäten zur Senkung der Schaden- und Leistungsaufwände, sowie der Verwaltungskosten. Insbesondere bei Letzterem geht es nicht nur um die Identifikation von Einsparpotenzialen, sondern auch um die Steigerung der Kostendisziplin im Unternehmen, sowie der Professionalisierung der Kostensteuerung. 

BC: Profitabilität ist also das Thema, das am meisten an Relevanz gewonnen hat im Vergleich zum Vorjahr. Welches Thema hat denn die höchste Priorität in der Vorstandsetage?

Müller / Hier ist das Ergebnis unserer Studie sehr eindeutig und auch in den letzten Jahren recht konstant: die digitale Transformation ist und bleibt das wichtigste Thema für Versicherungen. Auch nachvollziehbar, da Maßnahmen nur sehr langsam ihre gewünschte Wirkung entfalten. Sei es die Erhöhung des Automatisierungsgrads, die Stärkung der Cybersecurity, die Cloud-Transformation oder die Modernisierung der IT-Infrastruktur – alles Themen, die einen langen Atem und enorme Investitionen erfordern.  

Dagegen befindet sich die Nutzung von Künstlicher Intelligenz bei den meisten Versicherern noch im Experimentierstadium. Viele Voraussetzungen werden aktuell erst noch geschaffen, um die erhofften Potenziale voll auszuschöpfen: der Aufbau notwendiger Skills, die Auswahl von technologischen Lösungen und Dienstleistern und die Prüfung auf Compliance mit regulatorischen Anforderungen (z.B. EU AI Act) sind einige zu nennende Herausforderungen.  

BC: Welche strategische Priorität vervollständigt die Top 3?

Müller / Operative Resilienz zu tragbaren Kosten. Vor allem in der Schaden-/Unfallversicherung, aber auch in der Krankenversicherung, sind die Servicelevel in den letzten zwei Jahren massiv unter Druck geraten und signifikante Kostensteigerungen zur Sicherstellung des Services die Folge. 

Während der Coronazeit hat das Arbeitsvolumen in den Operations stark nachgelassen. Die Folge war ein Abschmelzen der Mitarbeiterzahl. Nun haben sich aber die Rahmenbedingungen grundsätzlich geändert: Frequenz und Intensität der normalen Schadenlast ist wieder deutlich gestiegen, NatCat-Ereignisse führen zu zusätzlichen massiven Schwankungen der Arbeitslast, die Kundenerwartungen an schnelle Erledigung ist weiter gestiegen, die Kapazitäten bei Dienstleistern sind gesunken und der Arbeitsmarkt ist angespannt. Hinzu kommen noch hausgemachte Probleme: es fehlt an Transparenz in den Operations, an variablen Vergütungsmodellen, an einer zeitgemäßen Führungskultur, die das New Normal mit hohem Homeoffice-Anteil berücksichtigt, und an einer leistungsfähigen, integrierten Operationssteuerung.

BC: Wenn Sie auf die nächsten Jahre blicken, welche wesentlichen Veränderungen oder Trends erwarten Sie in der Versicherungsbranche, die auch in der CxO-Studie 2025 reflektiert werden könnten?

Müller / Ich erwarte, dass der Druck auf die Profitabilität der Versicherer weiter zunehmen wird, abhängig von der Eigentümerstruktur und dem Portfoliomix. Wachstum in Stücken wird dadurch noch weniger Relevanz haben als bisher. Prämiensteigerungen werden auch weiterhin notwendig sein, um der Schadeninflation entgegenzuwirken und die Fähigkeit zum Kostenmanagement wird ein noch wichtigerer strategischer Wettbewerbsfaktor. Warum? Weil schon heute die Kosten für die digitale Transformation, für die operative Resilienz und auch für regulatorische Muss-Themen enorm sind – sie werden auch in Zukunft weiter steigen. Wer diese Fähigkeit nicht besitzt, der wird über kurz oder lang die notwendigen Investitionen in Personal und Technologie nicht stemmen können.   

 

Für die umfassenden Studienergebnisse kontaktieren Sie Martin Müller.