Die letzten Jahrzehnte der Luftfahrt waren durch eine Vielzahl von Merger & Acquisitions (M&A) geprägt. Der US-amerikanische Luftfahrtmarkt konsolidierte sich von ehemals 25 marktrelevanten Fluggesellschaften auf die drei heute bekannten Full-Service-Network-Carrier: Delta, American und United. Auch der europäische Luftfahrtmarkt erfuhr in den letzten 20 Jahren größere M&A, woraus die heutige Lufthansa Group, die IAG Group und die Air France-KLM Group hervorgingen. Die Konsolidierung hin zu großen Fluggesellschaften fand auch in Asien Anfang der 2000er Jahre statt, woraus Air China, China Southern Airlines und China Eastern Airlines als größte chinesische und gleichzeitig asiatische Fluggesellschaften hervorgingen.
Auf allen beschriebenen Märkten ist jedoch zu erkennen, dass die M&A-Aktivitäten in den letzten Jahren deutlich zurückgegangen sind. Auch in naher Zukunft sind kaum relevante Übernahmen zu erwarten. Das liegt unter anderem daran, dass Übernahmeprozesse mit einer Vielzahl von Risiken und Herausforderungen verbunden sind. Diese können zum Beispiel beim Zusammenführen der Unternehmenskulturen oder durch Überschätzen von Synergieeffekten entstehen. Der Schutz des geistigen Eigentums und die Gefahr von Sicherheitslücken, beispielsweise in IT-Systemen, stellen weitere Herausforderungen dar. In der EU unterliegen Übernahmen zudem einer Regulierung, um Unternehmen mit zu großer Marktmacht zu vermeiden.
Strategische Partnerschaften im Non-Aviation-Bereich können ein sinnvolles und effizientes Instrument sein, um den sich ändernden Kundenbedürfnissen gerecht zu werden. Partnerschaften sind im Vergleich zu Übernahmen zudem weniger komplex und risikoärmer. In der Luftfahrt können solche Partnerschafften entlang der kompletten Wertschöpfungskette zum Einsatz kommen. Sie geben den Fluggesellschaften so die Möglichkeit, auf veränderte Kundenbedürfnisse in Bereichen wie Nachhaltigkeit, Value Added Services und individuelle Mobilität besser einzugehen. Deshalb werden M&A-Aktivitäten in der Luftfahrt aus unserer Sicht deutlich nachlassen und branchenübergreifende Partnerschaften immer relevanter.
Abhilfe bei erhöhtem Druck auf Fluggesellschaften durch gestiegenes Umweltbewusstsein
Eine der größten Herausforderungen in diesem Jahrhundert ist die globale Erwärmung. Das steigende Umweltbewusstsein in der Bevölkerung zwingt Unternehmen zum Handeln. Eine Umfrage des Redaktionsnetzwerks Deutschland im Mai 2022 ergab, dass 79 Prozent der Befragten in Deutschland bereit sind, auf innerdeutsche Flüge zu verzichten oder dies bereits tun. Zudem werden Zugverbindungen zwischen deutschen Großstädten attraktiver als Flüge, was auch in den Flugplänen erkennbar ist.
Die Fluggesellschaften stehen vor der Herausforderung, trotz des steigenden Umweltbewusstseins weiterhin attraktiv für ihre Kunden zu bleiben. Hier können Partnerschaften helfen: sie erlauben es den Fluggesellschaften, CO2-Kompensation bei der Flugbuchung anzubieten. Zudem gibt es bereits strategische Partnerschaften, um auch die tatsächlich anfallenden CO2-Emissionen zu reduzieren. Dabei kann es sich beispielsweise um Kooperationen mit Herstellern von Sustainable Aviation Fuels (SAF) oder Pilotprojekte für emissionsfreie Bodenabfertigung handeln. Ein Praxisbeispiel ist die Partnerschaft zwischen Lufthansa Cargo und DB Schenker. Diese macht seit 2020 eine CO2-neutrale Flugverbindung zwischen Frankfurt und Shanghai möglich, bei der auch die für Transport und Herstellung des verwendeten SAFs und Kerosins entstehenden Treibhausgase durch zertifizierte Ausgleichsmaßnahmen kompensiert werden.
Durch Kooperationen mit Partnern im Data-as-a-Service-Bereich besteht zusätzliches Potenzial, mithilfe von Auslastungs-, Routen- und Manöveroptimierungen, die operativ ausgestoßenen Emissionen zu reduzieren.
Mit Value Added Services Kundenbedürfnisse erfüllen
Die Bedeutung des Dienstleistungssektors für die gesamte Bruttowertschöpfung eines Landes ist hoch und liegt beispielsweise in Deutschland bei etwa 70 Prozent. Auch Fluggesellschaften bieten weitere Dienstleistungen als Ergänzung zur Flugreise, wie den Bordverkauf, Vielfliegerprogramme oder die Vermittlung von Mietwagen an. Die Nebeneinnahmen der zehn größten Fluggesellschaften belaufen sich zusammengerechnet auf rund 35 Milliarden US-Dollar. So birgt dieser zusätzliche Geschäftszweig und die damit einhergehende Diversifikation der Einkommensströme auch großes Potenzial für strategische Partnerschaften, die die Attraktivität der Kernleistung – des Fluges – steigern können. Hierbei kann es sich um Partnerschaften im Bereich der Bordverpflegung, des Entertainments oder der Verbesserung der User Experience durch digitale Dienste handeln. Auf Flügen von Virgin America lassen sich beispielsweise kostenlos Netflix, Spotify und die New York Times streamen, wodurch das On-Board-Entertainment stärker auf die Kundenbedürfnisse und -gewohnheiten ausgerichtet ist.
Tür-zu-Tür-Mobilität auch für Fluggesellschaften interessant
Eine weitere Veränderung des Reiseverhaltens betrifft den Wunsch nach Tür-zu-Tür-Mobilität. Ziel hierbei ist es, ununterbrochene und multimodale Reiseketten anzubieten. Dafür kooperieren Fluggesellschaften bereits heute mit Anbietern aus dem Schienenverkehr. So ist die Deutsche Bahn AG seit längerer Zeit Partner der Lufthansa und seit dem 1. August 2022 der erste offizielle intermodale Partner der Star Alliance. Dadurch soll den Kunden der Zugang zu den Flughäfen erleichtert werden.
Darüber hinaus gibt es vereinzelt den Versuch, regionale Taxi-Anbieter in die Apps der Fluggesellschaften zu integrieren, um den Transfer vom und zum Flughafen zu vereinfachen. Weiteres Potenzial bietet die Integration des öffentlichen Nahverkehrs, um die „letzte Meile“ vom Flughafen kostengünstig und unkompliziert zurücklegen zu können, ohne sich mit dem Mobilitätsangebot vor Ort auseinanderzusetzen. Abhilfe dafür können Kooperationen mit Mobility-as-a-Service-Anbietern schaffen, die eine Integration verschiedener Mobilitätsleistungen ermöglichen.
Die richtige Partnerwahl gemeinsam angehen
Die Knüpfung von Partnerschaften im Bereich der Luftfahrt gibt Fluggesellschaften die Möglichkeit, das Angebot rund um ihr Kernprodukt – den Flug – kundenorientiert zu erweitern, ohne die wirtschaftlichen Risiken einer Firmenübernahme eingehen zu müssen. Vor allem in den Bereichen Nachhaltigkeit und Tür-zu-Tür-Mobilität bieten Partnerschaften großes Potenzial.
Was sind die für Ihr Unternehmen relevanten Trends und kennen Sie die Anforderungen Ihrer Kunden? Wir helfen Ihnen, diese zu identifizieren und Ihr Unternehmen daran neu auszurichten. Mit unserem großen Netzwerk und weitreichenden Erfahrungen in der Luftfahrtbranche sind wir Ihr idealer Partner bei der Identifikation von potenziellen strategischen Partnerschaften und bei der Differenzierung des Wettbewerbes. Seit über 20 Jahren berät Horváth Fluggesellschaften, Flughäfen, Flughafenbetreiber und Bodenabfertiger bei strategischen und operativen Fragestellungen. Dabei sind wir insbesondere auf Digitalisierung, Transformation und Performance Management spezialisiert.
Alf, M. / Dr. Brakemeier, S.