Interview mit Stefan Gfeller, Head of Process, Data & Reporting im Group Planning & Performance Management (GPPM), Zurich Insurance Group

Stefan Gfeller über den Aufbau einer Enterprise Performance Management Plattform bei der Zurich Insurance Group

Straffe Zeitpläne für die Planungsprozesse, begrenzte Systemintegration und Datenverfügbarkeit, schlechte Performance der alten Systemlandschaft sowie ein hoher Aufwand für die Qualitätssicherung sind Beispiele dafür, mit welchen Herausforderungen die Unternehmenssteuerung von Versicherungsunternehmen konfrontiert ist. Die Zurich Insurance Group unter Programmleitung von Stefan Gfeller in seiner damaligen Funktion als Head of PPM Transformation (Digital & IFRS 17) hat deshalb eine moderne Enterprise Performance Management (EPM) Plattform eingeführt, die die Effektivität und Effizienz der Planung, des Forecasting und des Management Reporting auf Konzernebene sicherstellt. Im Interview mit Sascha Brosig, Partner aus dem Competence Center CFO Strategy & Performance Management, Planning & Forecasting bei Horváth, erläutert er das Vorgehen.

Sascha Brosig: Stefan, du bist seit Jahren im Performance Management der Zurich Insurance Group tätig und hast dabei den Aufbau der EPM-Plattform mitbegleitet. Was waren für euch die ausschlaggebenden Gründe, eine solch moderne Plattform aufzubauen?

Gfeller / Die abgelöste Systemlandschaft war für einen global tätigen Versicherungskonzern nicht mehr zeitgemäß. Zum Beispiel war die schlechte Systemperformance der Grund dafür, dass elementare Tätigkeiten wie die Datenakquisition oder die Interaktion zwischen den Nutzern immer mit einem hohen Aufwand verbunden waren. Zudem führte ein uneinheitliches Datenmodell zu höheren manuellen Aufwänden in der Datenaufbereitung, während die vorherige Planungsplattform kein Storytelling und keine Kommentierungsfunktionalitäten angeboten hat. Damit war die Zusammenarbeit leider nur offline und nicht über die Plattform selbst möglich. Wir haben daher die Einführung von IFRS 9 und 17 für uns als Chance wahrgenommen, die Planungsplattform und zugehörige Prozesslandschaft neu zu denken. 

Sascha Brosig: Die Konzeption, Implementierung und Inbetriebnahme einer Plattform mit diesem Funktionsumfang ist auch immer von zahlreichen Herausforderungen begleitet. Welche Herausforderungen würdest du im Nachhinein als die größten ansehen?

Gfeller / Für die neue Plattform hatten wir relativ schnell ein klares Zielbild hinsichtlich des Umfangs und der Anforderungen. Die Herausforderungen entstanden erst danach in der konkreten Ausarbeitung dieses Zielbilds.  

Als global agierendes Versicherungsunternehmen müssen wir diverse regulatorische und rechtliche Vorschriften erfüllen. Zusätzlich stellt das Management weitere Forderungen zur Sicherstellung einer effektiven Unternehmenssteuerung. Dadurch ergibt sich eine Komplexität und Vielfalt an funktionalen und nicht-funktionalen Anforderungen, die die neue Plattform erfüllen muss. Die Adressierung dieser Anforderungen ist definitiv eine der größten Herausforderungen. 

Ein Beispiel für diese Herausforderung ist das Design eines integrierten Datenmodells zusammen mit allen relevanten Stakeholdern. Das Performance Management, die interne Rückversicherung, Commercial Insurance, das Aktuariat und das Risikomanagement haben durchaus unterschiedliche Vorstellungen hinsichtlich der notwendigen Datengranularität. Zudem sollte die Plattform nicht nur auf Konzernebene, sondern auch für die Steuerung in den Regionen und in den einzelnen Business Units eingesetzt werden. Die sich ergebende umfassende Einbindung aller Stakeholder war wichtig und kritisch, allerdings auch sehr zeitintensiv. 

Darüber hinaus gab es auch andere Herausforderungen, die uns länger begleitet haben. Die Umstellung auf eine integrierte digitale Plattform, die eine Planung, einen Forecast und ein Management Reporting abbildet, erfordert ein gutes Change Management, damit die gesamte Community ein gemeinsames Mindset entwickelt. Dies geht einher mit ausreichend Zeit für die globale Community, um sich mit der neuen Plattform vertraut zu machen und sie ausreichend zu testen. 

Sascha Brosig: Die Plattform ist mittlerweile im laufenden Betrieb, das heißt auch, dass diese Herausforderungen erfolgreich gemeistert wurden. Was lief deiner Meinung nach rückblickend gut?

Gfeller / Es gibt mehrere Erfahrungen und Erkenntnisse, auf die ich gerne zurückblicke und die ich in Zukunft, angepasst an die jeweilige Situation, wiederholen würde. 

Wir haben von Beginn an viel Disziplin gezeigt, auf Basis des originalen Zielbilds den Umfang der neuen Plattform zu managen. Zudem haben wir frühzeitig auf Lernen durch iteratives Vorgehen gesetzt, das heißt schnell erste Pilot Use Cases umgesetzt, um kritische technische Herausforderungen früh zu identifizieren. Dies war ausschlaggebend dafür, dass wir die Plattform schlussendlich in Qualität, Zeit und Budget eingeführt haben. 

Darüber hinaus haben wir die vollständige Digitalisierung der Workflows erreicht. Auf Basis neuer Planungs- und Forecast-Prozesse haben wir alle Arbeitsschritte und Interaktionen zwischen den Stakeholdern sauber aufgearbeitet und in eine sinnvolle Reihenfolge gebracht. Für die Steuerung haben wir ergänzend ein Locking-Konzept entwickelt. So haben wir jederzeit Transparenz über den aktuellen Stand der Planung und des Forecasts – und können bei Bedarf offene Zulieferungen schnell adressieren. 

Überraschend reibungslos ist uns die Übergabe der Projekttätigkeiten an die Linienorganisation gelungen. Zum einen haben wir mittels Parallelläufen und anschließenden Optimierungs- und Stabilisierungsphasen die Plattform sukzessive hochgefahren. Zum anderen sind wir diese Übergabe frühzeitig und vor allem sehr strukturiert angegangen. Die Linienorganisation wurde rechtzeitig in die Abläufe und Maintenance involviert, Rollen und Verantwortlichkeiten wurden für alle transparent definiert. Die regelbasierte Abnahme der Projektergebnisse motivierte die Beteiligten, Verantwortung zu übernehmen und offene Punkte zeitnah zu klären. 

Gut gefallen hat mir auch die Kultur innerhalb des Projektteams. Das Teamwork war hervorragend und Lösungsorientierung ohne etwaige Schuldzuweisungen wurde gelebt. So hat das vielfältige Team, bestehend aus Fachexperten, Beratern und Entwicklern sowie aus internen und externen Mitarbeitenden, zum Erfolg des Projekts beigetragen. 

Sascha Brosig: Was zeichnet die EPM-Plattform konkret aus?

Gfeller / Im Kern zeichnet sich unsere EPM-Plattform durch harmonisierte digitale Prozesse und ein einheitliches Datenmodell für die Planung, den Forecast, das Management Reporting einschließlich Storytelling aus. Wir haben dank dieser Plattform einen hohen Grad an Automatisierung erreicht, da nach dem Datenupload nur noch wenige Rechenschritte per Knopfdruck gestartet oder finale Datenanpassungen vorgenommen werden müssen. Hier ist von Vorteil, dass der Abgleich der IST-Zahlen mit unserem Accounting-System vollkommen automatisch erfolgt und wir dank unseres Datenmodells in allen Prozessen dieselbe technische Sprache sprechen. 

Diese Plattform befähigt uns, multiple Stakeholder in das Performance Management einzubinden und ein aussagekräftiges, integriertes und harmonisiertes Management Reporting inklusive Storytelling und Kommentierungsfunktionalität für die Konzernsteuerung, aber auch für unsere Regionen und Business Units anzubieten. Alle Zahlen sind überleitbar, sodass wir keine Zeit mehr für aufwändige Abweichungsanalysen und manuelle Datenabstimmungen verwenden müssen. Damit können wir uns voll auf die Kollaboration in der Datenanalyse und -kommentierung konzentrieren, die nicht mehr offline, sondern auf der Plattform stattfindet. Unser Senior Management profitiert von optisch ansprechenden, leicht verständlichen Berichten, die die Diskussion in Management-Meetings fördern. 

Sascha Brosig: Das Einführungsprojekt hatte mit der Steigerung der Effizienz und der Effektivität in der Planung und dem Performance Management hohe Ziele. Wurden diese Erwartungen erfüllt?

Gfeller / Definitiv ja. Rückblickend wurden unsere Erwartungen hinsichtlich des Umfangs, des Go-Live, des notwendigen Budgets und der geforderten Qualität erfüllt. Die EPM-Plattform ist mittlerweile im 2. Performance-Zyklus erfolgreich in der Produktion und wurde von unserer globalen User Community vollständig angenommen. Sie ist damit heute die zentrale Plattform für die datengestützte Konzernsteuerung und wir sehen weiterhin viel Potenzial, die Plattform kontinuierlich zu optimieren und zu erweitern. Mit dieser positiven Erfahrung würde ich dieses Projekt auf jeden Fall wiederholen. 

Sascha Brosig: Was würdest du anderen Versicherungen raten, die sich auf denselben Weg machen wollen?

Gfeller / Die für uns ausschlaggebenden Gründe lassen sich sicherlich mehr oder weniger auf andere Versicherungen übertragen. Von daher wäre mein grundsätzlicher Rat: Wer noch keine moderne Planungsplattform hat, dem sei ans Herz gelegt, sich auf diesen Weg zu begeben. 

Für diesen Weg würde ich drei Ratschläge mitgeben. Das Design eines harmonisierten Datenmodells ist zentral. Daher sollte dies frühzeitig im Projekt entwickelt werden. Darüber hinaus ist die Einbindung aller relevanten Stakeholder im Headquarter (Upstream, Downstream sowie an der Planung bzw. dem Forecast selbst Beteiligten) und in den lokalen Einheiten wichtig, um möglicher Komplexität gerecht zu werden und Business-Anforderungen frühzeitig zu klären. Dies vermeidet späteren Aufwand und fördert vor allem die Akzeptanz. Als letzten Ratschlag würde ich eine klare Design Guidance auf Basis des Zielbilds mitgeben, um bisherige Komplexität kritisch zu hinterfragen und, nur wenn erforderlich, beizubehalten. Dies vereinfacht die Prozesse und Logiken deutlich. 

Vielen Dank für das aufschlussreiche Interview, Stefan!