Interview

Zukunftssicherung in der Automobilindustrie: Warum es trotz großer Herausforderungen auch Grund zu Optimismus gibt

Die Automobilbranche steht vor großen Herausforderungen und Veränderungen. Nach einer Phase des Wachstums und der Erholung nach der Corona-Krise stehen die Unternehmen aktuell wieder unter sehr starkem Druck. Dieses Interview mit Horváth-Automotive-Experte Frank Göller beleuchtet die Herausforderungen und Entwicklungen in der Automobilindustrie und gibt gleichsam Einblicke in die Zukunftsaussichten der Branche.

 

 

Herr Göller, die aktuelle Marktsituation bei OEMs und Automobilzulieferern ist sehr angespannt. Welche Herausforderungen sind für Sie derzeit die größten?

Frank Göller: Der Automobilabsatz in Europa liegt nach wie vor ca. 2 Millionen Fahrzeuge unter dem Niveau vor der Corona-Krise. Gleichzeitig ist der Absatz in China, vor allem der deutschen Automobilhersteller, unter Druck geraten. Dies führt zu deutlich geringeren Gewinnen und dies in einer Phase, in der erhebliche Investitionen in die Produkte der Zukunft erforderlich sind. Die Kombination aus Transformationsdruck (E-Mobilität), hohen Materialpreisen, neuen Wettbewerbern, Supply-Chain-Problemen, hohem Zinsniveau und sinkender Nachfrage stellt viele Unternehmen vor enorme Herausforderungen.

Wie sollten Automotive-Unternehmen diesen Herausforderungen begegnen?

Frank Göller: Ein wesentlicher Aspekt ist es, die Wettbewerbsfähigkeit konsequent und nachhaltig zu verbessern. Hierzu ist eine deutliche Reduzierung der Produktkosten in den meisten Fällen unerlässlich. Automobilhersteller und Zulieferer prüfen derzeit sämtliche Hebel, um Kosteneinsparungen zu realisieren. Dies gilt für die Materialkosten, Produktion sowie die Verwaltung. In unserer Horváth CxO Studie haben 6 von 10 Unternehmen angegeben, dass die Realisierung der Einsparziele voraussichtlich auch mit einer teilweise signifikanten Reduzierung der Belegschaft einhergehen wird. Zudem gilt es die Chancen der Digitalisierung zu nutzen, um Prozesse deutlich effizienter zu gestalten.

Aber Kostensenkung ist nur ein Teil der Lösung. Entscheidend wird es sein, mit attraktiven Fahrzeugen die Kunden auf den Weltmärkten zu begeistern. Hierzu sind E-Fahrzeuge von entscheidender Bedeutung, aber auch hoch effiziente Verbrenner und Hybrid-Fahrzeuge. Die Zukunft der Autoindustrie wird vorwiegend elektrisch sein, jedoch mit einer sehr langen Übergangsphase. Zudem ist es entscheidend, die Fahrzeugsoftware zu beherrschen und digitale Applikationen im Auto auf höchstem Niveau anbieten zu können. 

Neben den Automobilherstellern stehen auch viele Autozulieferer unter Druck. Was könnten Automotive OEM aktuell tun, um die Situation ihrer Zulieferer zu entschärfen?

Frank Göller: Es wird darauf ankommen, dass Automobilhersteller und Zulieferer in dieser wirtschaftlich schwierigen Phase gemeinsame Lösungen finden, um trotz unterschiedlicher finanzieller Interessen bei den Preisverhandlungen zu tragfähigen Kompromissen zu kommen. Dies ist wichtig, um die oftmals langjährigen Partnerschaften sowie die Lieferfähigkeit entlang der Lieferkette langfristig zu sichern. Es ist zweifellos auch im Interesse der Automobilhersteller, dass die Zulieferer als wesentliche Triebfeder für Innovationen langfristig wirtschaftlich tragfähig agieren können. 

Warum sind Sie trotz der aktuell angespannten Situation der Autoindustrie optimistisch?

Frank Göller: In den nächsten 3-5 Jahren werden sehr viele faszinierende neue Fahrzeuge auf den Markt kommen. Die Modelloffensiven gerade auch der deutschen Hersteller laufen erst an. Die Reichweite von E-Fahrzeugen wird sich enorm verbessern ebenso die Ladeinfrastruktur. Ich bin optimistisch, dass der Durchbruch der E-Mobilität in Deutschland und Europa in den kommenden Jahren gelingen wird. In China ist dies bereits der Fall. Ich bin zudem sehr zuversichtlich, dass die riesigen Anstrengungen der Unternehmen hinsichtlich Kostensenkungen erfolgreich sein werden und dies die Wettbewerbsfähigkeit deutlich verbessern wird. 

Auch bei zentralen Zukunftstechnologien gibt es merkliche Fortschritte. Erst vor wenigen Tagen wurde bei der New Battery World in München in den verschiedenen Vorträgen und Diskussionsrunden deutlich, dass deutsche Unternehmen die Batterietechnologie und Wertschöpfungskette immer besser beherrschen. 

Vielen Dank, Herr Göller, für diese Einblicke und Lösungsvorschläge.