Horváth-Studie: Kostendruck in der Autoindustrie so hoch wie nie zuvor

  • In 2024 kein Wachstum erwartet, für 2025 nur leichte Umsatzerholung
  • OEMs stehen vor allem bei Software unter Zugzwang
  • Ausbau erfolgt außerhalb von Deutschland, Paradigmenwechsel am hiesigen Standort

Mit über 90 Vorständen und Geschäftsführern führender Automotive-Unternehmen, davon 55 aus Deutschland, hat die Managementberatung Horváth in persönlichen Tiefeninterviews über Branchenentwicklungen gesprochen. Nachdem der Markt sich in den vergangenen Jahren mit guten Zuwächsen von der Corona-Krise erholt hat, sind die Aussichten nun deutlich pessimistischer: Für das Jahr 2024 traut sich die Branche nur magere 1,8 Prozent Wachstum zu, also quasi keins. 2025 werden im Schnitt 3,8 Prozent Umsatzsteigerung erwartet. Entsprechend geraten die Gewinnmargen erheblich unter Druck. „Wiederkehrender Tenor der Gespräche war: Wir dachten, der Kostendruck kann nicht weiter steigen – und wurden eines Besseren belehrt“, sagt Frank Göller, Partner und Automotive-Experte bei Horváth.

Die Kombination aus Transformationsdruck (E-Mobilität), hohen Materialpreisen, neuen Wettbewerbern, Supply-Chain-Problemen, hohem Zinsniveau und sinkender Nachfrage bringt Horváth-Experte Göller zufolge viele Unternehmen an ihre finanziellen Grenzen, zumal es erhebliche Zukunftsinvestitionen zu finanzieren gilt. Gerade die OEM ächzen unter dem Preisdruck und erwarten durchschnittlich nur geringe Umsatzsteigerungen: 0,2 Prozent in 2024, für das kommende Jahr 2,1 Prozent. Kostenoptimierung steht in den Unternehmen mit Abstand an erster Stelle der Managementprioritäten – und den Druck geben die OEMs an die gesamte Lieferkette weiter. Einen großen Hebel zur Verbesserung der Wettbewerbsfähigkeit versprechen sich die Hersteller durch maximale Digitalisierung und Automatisierung der Prozesse, ihrer zweitwichtigsten Priorität. An dritter Stelle stehen Fachkräftethemen bei den OEMs, getrieben vor allem durch veränderten Kompetenzanforderungen für die Fahrzeuggenerationen der Zukunft.

Zwischen Langfriststrategien und „China Speed“

Gefragt nach den Branchentrends, die die Unternehmen aktuell am stärksten beschäftigen, steht – wenig überraschend – der Umstieg auf E-Mobilität bei den OEMs an erster Stelle. „Die Zukunft der Automobilbranche ist überwiegend elektrisch und die Hersteller halten zurecht an dieser langfristigen Strategie fest. Die Nachfrage nach E-Autos steigt weltweit und auch in Europa, auch wenn in Deutschland die Nachfrage aktuell schwächelt. Die Übergangsphase von traditionellen Antrieben auf E-Fahrzeuge wird aber deutlich länger dauern als noch vor wenigen Jahren gedacht. Entsprechend investieren die Hersteller auch weiterhin in Verbrennerfahrzeuge, um diese wettbewerbsfähig zu halten und die Marktpotenziale weiter auszuschöpfen zu können“, sagt Frank Göller. Dies kann dem Experten zufolge dennoch eine riskante Gradwanderung bei der Verteilung der Investitionen sein, denn die Hersteller dürfen den Anschluss an die chinesische E-Auto Konkurrenz nicht verlieren, die gerade auch im Bereich der digitalen Applikationen im Fahrzeug den Wettbewerbsdruck erhöht. „Software-defined vehicle“ sehen die OEM entsprechend als den zweitwichtigsten Branchentrend.

„Die Software und digitale Fahrzeugapplikationen sind riesige Herausforderungen für europäische Autohersteller und werden wesentlich über den künftigen Markterfolg entscheiden“, so Göller. Die Transformation vom traditionellen Automobilbau zum „Software-defined vehicle“ wird noch lange die Managementagenda prägen. Die eng gesetzten Ziele für die Markteinführung neuer Modelle zu erreichen, wird dem Experten zufolge immer herausfordernder, da die „Go-Live“-Zyklen der Wettbewerber immer kürzer werden. 55 Prozent der befragten CxOs arbeiten daher intensiv daran, schneller und agiler zu werden. Für weitere 30 Prozent ist es ein wichtiges Thema. In diesem Kontext wird auch „Decentral Empowerment“, also die stärkere Übergabe von Verantwortung und Entscheidungsbefugnis in den verschiedenen Regionen, immer wichtiger. Die Reorganisation von Unternehmensstrukturen ist als Managementpriorität im Vergleich zum Vorjahr wichtiger geworden und um 3 Plätze nach oben gerutscht.

Wachstum findet im Ausland statt – Hersteller stehen aber zum deutschen Standort

Die Unternehmensverantwortlichen wurden in der Horváth-Studie auch gefragt, in welchen Regionen sie in den kommenden fünf Jahren Personal auf- und abbauen werden. Das Ergebnis: Aufgebaut wird fast überall, nur nicht in Deutschland und Süd-West-Europa. 75 Prozent wollen in Indien Kapazitäten aufbauen, 60 Prozent in China, 55 Prozent in Mittelamerika. In Afrika planen 40 Prozent personellen Aufbau, 35 Prozent in Nordamerika. Immerhin: In Osteuropa planen 60 Prozent, ihre Standorte zu verstärken. Das ist das Bild über alle befragten international agierenden Unternehmen, bei dem zu berücksichtigen ist, dass Deutschland als einziges europäisches Land einzeln abgefragt wurde. „Schaut man sich jetzt nur die Unternehmen mit Zentrale in Deutschland an, zeigt sich zumindest: Ein Viertel der Gesamtinvestitionen der allesamt global agierenden Unternehmen fließt nach wie vor hier her. Auch wenn für die regionalen Märkte immer stärker nah am Endkunden produziert wird, was oft auch regulatorische Gründe hat, bekennen sich die Autohersteller gleichzeitig nach wie vor zum Standort Deutschland“, sagt Horváth-Experte Göller. „Dennoch muss neu gedacht werden, wie sich der Standort Deutschland in einer noch globaleren Aufstellung der Unternehmen langfristig behaupten und positiv entwickeln kann.“

Über die Studie

Für die großangelegte Horváth-Studie CxO Priorities wurden Interviews mit insgesamt über 700 Vorständen und Geschäftsführungsmitgliedern großer Unternehmen geführt, davon über 90 Automotive-Unternehmen (55 aus Deutschland). Mehr als zwei Drittel der insgesamt untersuchten Unternehmen beschäftigen mindestens 1.000 Mitarbeitende und erwirtschaften mindestens 1 Milliarde Euro Umsatz in Jahr. Die Interviews wurden im zweiten Quartal 2024 geführt. Der Studienreport kann über diesen Link heruntergeladen werden: https://hrvth.com/3Wq1PK8.
Detailergebnisse zur Automobilindustrie können über presse@horvath-partners.com angefordert werden.

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