Innerhalb der nächsten fünf Jahre plant der Flugzeugbauer Airbus, einen Prototyp für ein selbstfliegendes Flugtaxi auf den Markt zu bringen. Allerdings ist die Marktdynamik extrem hoch, wie die aktuelle Studie „Urban Air Mobility“ der Managementberatung Horváth & Partners zeigt. Der Airbus-Prototyp könnte zu spät kommen. „Schon 2025 werden Flugtaxis in großen Städten auf ersten, festgelegten Routen Passagiere transportieren“, prognostiziert Dr. Daniel Guffarth, Studienleiter und Mobilitätsexperte bei Horváth & Partners. Autonomes Fliegen und autonomes Fahren stehen Endkunden künftig parallel als neue Fortbewegungsart zur Verfügung. Dies gilt den Studienautoren zufolge auch für den deutschen Markt.
Zwar bestehen hierzulande für den Luftraum strenge Sicherheitsauflagen - jedoch ist der Luftverkehr deutlich einfacher zu kontrollieren, da anders als auf der Straße weder öffentlicher noch Individualverkehr unterwegs ist. Zudem zeigen Analysen von Horváth & Partners, dass die Akzeptanz der Bevölkerung bei selbstfliegenden Passagierdrohnen höher ist als bei selbstfahrenden Autos. Die Experten führen dies darauf zurück, dass in jüngster Zeit viele negative Berichte über Risiken, Unfälle bei Pilotversuchen sowie ethische Fragestellungen in Verbindung mit selbstfahrenden Autos Ängste geweckt haben. Autonomes Fliegen dagegen galt bis vor kurzem als Zukunftsvision. „In zahlreichen Städten weltweit werden Teststrecken für Flugtaxis eingerichtet. Sobald die ersten Pilotprojekte erfolgreich sind, wird sich auch in Deutschland die Politik für Versuchsstrecken und Betriebsrouten öffnen und die erlassenen Restriktionen, die vor allem auf Hobby-Drohnen gemünzt sind, anpassen“, prophezeit Guffarth.
2035 wird Personenbeförderung mit Flugtaxis zur endkundenreifen Dienstleistung
In der Initialphase von Urban Air Mobility (UAM) ab 2025 werden sich Flugtaxis in Megacitys ab zehn Millionen Einwohnern beziehungsweise Metropolregionen mit dieser Bevölkerungsdichte etablieren. In Deutschland könnten sich Pilotstrecken auf stark strapazierten Pendlerstrecken durchsetzen, zum Beispiel in der Rhein-Ruhr-Region. Generell sind in Deutschland neben innerstädtischer Mobilität auch Stadt-Land- oder Stadt-Stadt-Verbindungen zur Entlastung des Berufsverkehrs von hoher Relevanz. Ein Großteil der täglich 2.000 Staus - ein neuer Rekordwert aus dem Gesamtjahr 2018 - entfallen auf den Berufsverkehr.
In einer zweiten Phase ab 2035 wird sich UAM weltweit als Mobilitätsdienstleistung etablieren, mit Regelstrecken für den Transport mehrerer Personen pro Flugkapsel in nahezu jeder Metropole. 125 Millionen Stunden werden Flugtaxis den Berechnungen von Horváth & Partners zufolge im Jahr 2035 bereits in der Luft sein. Bis 2050, wenn der öffentliche Personennahverkehr mit Flugtaxis auch in kleineren Städten mit bis zu 600.000 Einwohnern Normalität sein wird, steigen die Flugstunden der Studie zufolge auf neun Milliarden Stunden an.
Autohersteller als Anbieter in der Gunst der Bevölkerung vorn
Der Kampf um die Vormachtstellung im Milliardenmarkt Urban Air Mobility ist im vollen Gang, aber längst nicht entschieden. Im Wochentakt vermelden Unternehmen verschiedener Branchen erfolgreiche Jungfernflüge. Audi und Airbus haben gemeinsam ein modulares Flugauto entwickelt, Daimler ist am Pionier-Startup Volocopter beteiligt, und das Urban Air Vehicle des amerikanischen Flugzeugbauers Boeing hat jüngst seinen ersten Testflug gemeistert. Die Kooperation von Airbus und Audi ist besonders erfolgversprechend. Denn, wie die Horváth & Partners Studie zeigt, werden Automobilhersteller als Anbieter von Lufttaxis gegenüber Luftfahrtunternehmen von der Bevölkerung bevorzugt. „Automobilhersteller punkten durch Markenbekanntheit, Kundennähe und vielfache positive Erfahrungen in punkto Qualität und Sicherheit. Gerade deutsche Premiumhersteller verfügen hier über einen Vertrauensvorschuss“, so Guffarth. Langfristig werden autonomes Fahren und autonomes Fliegen dem Experten zufolge ohnehin zu einem Gesamtmarkt „autonome Mobilität“ verschmelzen, da Anbieter eine Beförderung von A nach B dem Kunden gegenüber als ganzheitliches Mobilitätsangebot präsentieren werden. Marktteilnehmer mit langfristig guten Erfolgsaussichten benötigen also idealerweise in beiden Bereichen ein Standbein - ein weiteres Pro für die Automobilindustrie, die sich aufgrund des hohen Marktdrucks schon länger mit neuen Anforderungen urbaner Mobilität auseinandersetzt.
Profitabelstes Geschäft liegt in Flugvermittlung und Services
So sehr aktuell die Technik im Fokus steht - mit ihr wird im zukünftigen UAM-Markt nicht am meisten verdient werden. Die Produktion von Flugtaxis wird den Experten von Horváth & Partners zufolge lediglich fünf Prozent am Gesamtmarkt ausmachen, der Betrieb maximal ein Drittel. Auf die Flugvermittlung sowie begleitende Services wird mit 55 Prozent der Löwenanteil entfallen. Solche Zusatzservices reichen von Gastronomie-, Entertainment- oder Entspannungsangeboten innerhalb der Flugkapseln über die Beförderung zu oder von den Flugtaxihaltestellen bis hin zu digitalen Shoppingoptionen auf dem Flug.
„Im Premium-Segment, also der Einzelbeförderung in komfortabel ausgestatteten Kapseln, haben deutsche Automobilhersteller durch ihre Kundenbasis aber auch im Vermittlungsgeschäft gute Chancen, gerade in Europa“, sagt Horváth-Experte Daniel Guffarth. Neben Asien mit Ozeanien und den USA ist das Marktpotenzial für Urban Air Mobility auch in Europa überdurchschnittlich hoch, wie die Horváth-Studie zeigt. „Im weltweiten Massengeschäft wird sich aber wahrscheinlich ein globaler Technologiekonzern mit einer werbefinanzierten Plattform durchsetzen“.
Über die Studie:
Für die Studie „Urban Air Mobility - Business Between Sky and Earth“ führten die Experten von Horváth & Partners klassische Marktanalysen, digitale Sentiment-Analysen auf Basis künstlicher Intelligenz sowie qualitative Experteninterviews durch.