Horváth-Studie: Versicherer wachsen trotz Kostendruck

  • Um rund 4,5 Prozent sollen die Erträge in 2024 wachsen, vor allem durch Prämienerhöhungen
  • Sicherung der Profitabilität ist strategisches Top-Thema der Branche
  • Service-Level halten und operative Resilienz stärken als größte Herausforderungen

 

Eine aktuelle Horváth-Befragung von Vorstands- und Geschäftsführungsmitgliedern großer Versicherungsunternehmen zeigt: Trotz weitgehend gesättigtem Markt und intensivem Verdrängungswettbewerb rechnen Assekuranzen in der DACH-Region in diesem Jahr mit einem gestiegenen Prämienwachstum. So erwarten die Befragten ein Wachstum von 4,5 Prozent bei den Prämien – im Vergleich zum Vorjahr eine erneute Steigerung (2023: +3,9 Prozent). Die Entwicklung wird vor allem getrieben durch die Schaden- und Unfallversicherung sowie die Krankenversicherung – die Lebensversicherung stagniert. Über alle Versicherungssparten hinweg sehen die Assekuranzen den Weg zum Wachstum vor allem in Prämienerhöhungen (55 Prozent) und weniger durch ein größeres Volumen von Neuvertragsabschlüssen (45 Prozent). Das sind Ergebnisse der Studie „Assekuranzen 2024“ der Managementberatung Horváth.

Kostendruck höher als in den Vorjahren

Allerdings steht die Ertragsseite unter Druck: „Das Thema Profitabilität beschäftigt die Versicherer derzeit deutlich stärker als in den Vorjahren und ist eines der Top-Themen auf ihrer Agenda“, sagt Martin Müller, Partner und Insurance-Experte bei Horváth. „Die stark gestiegenen Schaden- und Leistungsaufwände, enorme Ausgaben für digitale Transformation und operative Resilienz, sowie hohe Umsetzungsaufwände für regulatorische Muss-Themen treiben die Kosten in die Höhe.“

Keine Zeit für Themen abseits des Kerngeschäfts

Für neue Geschäftsmodelle und Vertriebspartnerschaften oder für Gedankenspiele zu innovativen Ökosystemen und Optionen abseits des Kerngeschäfts ist dagegen nicht die Zeit – hierfür stehen häufig auch nicht die Ressourcen und Mittel zur Verfügung. Auch Nachhaltigkeit ist kein strategisches Top-Thema mehr, da im regulatorischen Pflichtprogramm angekommen.

90 Prozent der Schaden- und Unfallversicherer erwägen Beitragserhöhung – teilweise bis zu 20 Prozent

Neun von zehn Befragten in der Schaden- und Unfallversicherung geben an, dass Beitragserhöhungen (von teilweise bis zu 20 Prozent) ein wichtiger oder sehr wichtiger Hebel sind. 92 Prozent halten die Optimierung der Schadenquote für wichtig oder sehr wichtig, um ein stabiles Niveau zu halten. Auch die gezielte Sanierung der Bestände ist ein häufiges gewähltes Mittel (60 Prozent). „In Summe keine Überraschung und alles Hebel, die zum klassischen Werkzeugkasten eines Versicherers gehören. Neu sind Konsequenz und Intensivität ihrer Anwendung“, sagt Horváth-Experte Martin Müller. Besonders wichtig aus seiner Sicht: die Kommunikation gegenüber dem Kunden, bei dem vor allem eine Preissteigerung ankommt. Auch der Vertrieb müsse rechtzeitig vorbereitet werden – und bei all dem darf der Service nicht leiden. „Die operativen Bereiche müssen auch in Lastsituationen die Service-Level halten können. Sonst sagt der Kunde: ,Höhere Preise für schlechteren Service? Da gehe ich woanders hin‘.“

Entspannung in der Sparte „Leben“ – indexgebundene und biometrische Produkte auf dem Vormarsch

In der Sparte „Leben“ hat sich die Situation durch die gestiegenen Zinsen etwas entspannt – der enorme Druck auf die Lebensversicherer in den Niedrigzinszeiten, Garantien zu erfüllen, hat etwas nachgelassen. Über die Kapitalanlageseite ist Profitabilität wieder leichter erreichbar. Aber natürlich ist das Geschäft mit Einmalzahlungen massiv eingebrochen. Indexgebundene und biometrische Produkte sind dagegen auf dem Vormarsch, teilweise auch aktiv gesteuert im Sinne des Portfoliomanagements (82%). Dennoch ist bleibt Kostendisziplin weiterhin sehr wichtig (75 Prozent). „Sobald die Zinssituation sich ändert, werden wieder Themen wie Run off diskutiert werden, die aktuell nicht nicht so stark im Vordergrung stehen“, prophezeit Horváth-Partner Müller.

„Die Ergebnisse zeigen, dass die Versicherer erkannt haben: ,Back to Basics‘ ist das Gebot der Stunde, um erfolgreich zu sein“, sagt der Insurance-Experte. „Dazu müssen sie ihre Hausaufgaben machen: verstärkt auf eine auskömmliche Tarifierung achten, Sanierung gezielt nutzen und Wachstum nicht um jeden Preis, sondern selektiv. Gleichzeitig gilt es, sich auf die Stärken im Asset- und Schadenmanagement zu besinnen.“

Erste Erfahrungen mit KI – Personalengpässe in Krisenzeiten

Weitere Top-Themen auf der Agenda der Versicherungsunternehmen sind: digitale Transformation (97 Prozent), Personal (90 Prozent) und Cyber Security (78 Prozent). „Im Vergleich zum Vorjahr sind die Versicherer im Bereich Cyber Security deutlich besser aufgestellt. Sie haben massiv investiert und schätzen ihren Reifegrad deutlich höher ein. Es ist richtig, dem Thema Priorität zu geben, denn die Regulatorik stellt hohe Anforderungen an die digitale Sicherheit, insbesondere an den Schnittstellen zu Dritten“, sagt Martin Müller.  70 Prozent der Versicherer haben zudem bereits erste, konkrete Erfahrungen mit Künstlicher Intelligenz gesammelt. Horváth-Experte Müller dazu: „Ein strukturierter Ansatz entlang der Wertschöpfungskette ist allerdings noch die absolute Ausnahme. Dadurch wird es schwer echte Skalierbakeit zu erreichen und daraus resultierende Effizienzen zu heben. Und auch das Thema Governance und Compliance mit KI wird noch nicht im erforderlichen Umfang berücksichtigt.“ Geblieben sind die Personalprobleme: In Krisenzeiten, etwa nach Naturkatastrophen oder auch bei saisonalen Schwankungen sind Assekuranzen personell noch nicht robust aufgestellt und kämpfen nach wie vor mit Rückständen und Serviceeinschränkungen bei den Kunden.

Über die Studie

Für die Horváth-Studie „Assekuranzen 2024“ wurde eine repräsentative Auswahl an Vorstandsmitgliedern und Geschäftsführern aus Versicherungsunternehmen in der DACH-Region befragt. Die Stichprobe umfasst 70 Befragte, mit denen persönliche Tiefeninterviews geführt wurden. Die Interviews fanden im Rahmen der internationalen und branchenübergreifenden Horváth-Studie „CxOs Priorities 2024“ statt, für die branchenübergreifend mehr als 770 Unternehmensverantwortliche befragt wurden.

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