- Im Wasserstoffgeschäft liegen aus Sicht der Versorger nur sehr geringe Margen
- Größtes Nutzungspotenzial für die Industrie bis 2030 – private Mobilität und Wärme spielen untergeordnete Rolle
- Politische Anschubfinanzierung für den Netzausbau gilt als unerlässlich
In ihrer Fortschreibung der Nationalen Wasserstoffstrategie hat die Bundesregierung die Bedeutung hervorgehoben, die Wasserstoff und seine Derivate haben, um das Ziel der Klimaneutralität bis 2045 zu erreichen. Allerdings bleibt das Papier an weiten Stellen vage, etwa bei Aussagen zu Anschubfinanzierung, Förderung des Wasserstoffkernnetzes und der Produktion von Wasserstoff. Die aktuelle Marktstudie der Managementberatung Horváth zeigt, dass Energieversorger bis 2025 aufgrund der Unsicherheit und fehlenden Infrastruktur im Wasserstoffmarkt die geringsten Potenziale im Vergleich zu anderen Marktsegmenten sehen – und zwar über alle möglichen Geschäftsbereiche hinweg, von Eigenerzeugung über Infrastrukturdienstleistungen beziehungsweise Logistik bis hin zum Vertrieb. Für 80 Prozent ist eine bestehende beziehungsweise politisch konkret geplante und geförderte Wasserstoffinfrastruktur die notwendige Voraussetzung, um in Wasserstoffgeschäftsmodelle zu investieren. Daher hat bislang auch erst jeder vierte Energieversorger eine konkrete Vorstellung davon, wie sein zukünftiges Wasserstoffgeschäftsmodell aussehen wird. Für eigene Investitionen in ein Wasserstoffnetz fehlen den EVU wiederum sowohl die Mittel und Kapazitäten als auch die Anreize. Perspektivisch mit Blick auf 2030 steigt der Optimismus, was das Potenzial von Wasserstoff für Geschäftsmodelle der EVU angeht. Insbesondere im Einsatz in der Industrie wird Potenzial gesehen, sowohl in Bezug auf die stoffliche Nutzung als auch die energetische Nutzung. Im Vergleich zur vorangehenden Erhebung in 2021 ist der Anteil der Befragten, die längerfristig Geschäftspotenzial für die energetische Nutzung von Wasserstoff sehen, sogar um die Hälfte gestiegen. Dagegen erwartet inzwischen niemand mehr, dass Wasserstoff in der Wärmeversorgung privater Haushalte in der Zukunft eine Rolle spielen wird. 2021 hielten dies noch 12 Prozent für möglich.
Kraftanstrengung Infrastruktur
„Die Geschäftsmodelle für Energieversorger im H2-Bereich sind komplex, da sie entlang eines sich entwickelnden H2-Backbone-Netzes entstehen“, sagt Matthias Deeg, Partner und Experte für Energiewirtschaft bei Horváth. „Vielmehr zeigen sich die Unternehmen zurückhaltend, weil sie ihre Investitionen maßgeblich von der Regulatorik und konkreten Entscheidungen der Politik hinsichtlich der Nationalen Wasserstoffstrategie abhängig machen. Es kristallisiert sich heraus, dass eine Anschubfinanzierung durch die Politik elementar ist, um die Wasserstoffwirtschaft zum Erfolg zu führen. Andernfalls liegen erneuerbare Energien, Netze und Wärmeinvestitionen deutlich stärker im Fokus und binden bereits massiv finanzielle Mittel und interne wie externe Ressourcen.“
Wasserstoff attraktiv für Lkw und Busse, weniger für Pkw
In der Fortschreibung der Nationalen Wasserstoffstrategie hat die Bundesregierung die Rolle der Mobilität für die Zukunftstechnologie hervorgehoben. Bei der Verkehrsform bleiben die Aussagen unkonkret. Unter den Versorgern sieht kein einziges Unternehmen Potenzial in der privaten Pkw-Nutzung. Immerhin 58 Prozent sehen dies bei der Nutzung von Wasserstoff für Lkw und Busse. 2021 war der Tenor mit 78 Prozent der Energieversorger jedoch ausgeprägter.
Doch auch bei der Mobilität bleibt die Infrastruktur ein entscheidender Faktor: „Die Tank-Ladeinfrastruktur für Wasserstoff wird auf absehbare Zeit nicht in dem Ausmaß verfügbar sein – dennoch ist es aktuell eines der naheliegendsten Themen für die Versorger beim Einstieg in die regionale Wasserstoffwirtschaft, falls ÖPNV und Logistik in der Region günstige Voraussetzungen bieten“, sagt Matthias Deeg.
Über die Studie
Für die Branchenbefragung „Strategieentwicklung von Energieversorgern 2023“ wurde eine repräsentative Auswahl an Energieversorgungsunternehmen (EVU) in Deutschland und der Region DACH befragt. Die Stichprobe umfasst über 70 Vorstandsmitglieder und Verantwortliche aus den Bereichen Strategie/Unternehmensentwicklung.