Interview mit Andreas Albrecht, DekaBank

„Die Blockchain kann für die Finanzindustrie das sein, was der Elektromotor für die Automobilbranche ist“

Andreas Albrecht ist Leiter der Open Digital Factory, dem Innovationslabor der DekaBank. Seit 2014 konzentriert er sich auf die Blockchain und ihre Anwendungsmöglichkeiten in der Bank. Er war mitverantwortlich für die Entwicklung und Inbetriebnahme von Finledger, einer gemeinsamen Plattform für verschiedene Banken, die Schuldscheine komplett auf Blockchain-Technologie abwickelt und verwaltet.

Im Interview mit Horváth spricht der Experte über das große Potenzial der Technologie und erklärt, warum er sie derzeit noch am Scheideweg sieht.

HERR ALBRECHT, WIE SIND SIE MIT DEM THEMA BLOCKCHAIN BZW. DISTRIBUTED-LEDGER-TECHNOLOGIE IN BERÜHRUNG GEKOMMEN?

ANDREAS ALBRECHT / Ich bin schon seit zwölf Jahren bei der DekaBank. Wir haben damals begonnen, uns den Aktivitäten von Fintechs zu nähern. Die Blockchain-Technologien sind erst nach der Finanzkrise 2008 entstanden. 2014 habe ich angefangen, mich intensiv damit zu beschäftigen. Damals haben wir zunächst den Markt der Fintechs beobachtet, um zu analysieren, welche Ideen es dort gibt. Für uns war es spannend zu erfahren, was unter das Label Fintechs fällt, in welchen Bereichen diese agieren und vor allem, was man davon für die Deka nutzen kann. Bitcoin und Kryptowährungen waren zu diesem Zeitpunkt auf den Fintech-Konferenzen unterrepräsentiert. Wenn es hierzu einen Vortrag gab, dann war man allein mit dem Redner und die Personen, die mit einem in den Vorträgen saßen und diskutierten, waren auch nicht die klassischen Fintech-Gründer.

WAS HAT SIE AN DIESER TECHNOLOGIE FASZINIERT?

ANDREAS ALBRECHT / Vieles, das im Bereich Fintechs passiert, ist eine Fokussierung auf einen ganz spezifischen Prozess oder eine – sehr gut gemachte – Neuinterpretation eines bekannten Produktes. Das gab und gibt den etablierten Banken Impulse und stellt auch eine sehr starke Konkurrenz dar. Die Blockchain war technologisch wirklich neu und hatte von Anfang an die Macht, Bekanntes komplett zu verändern. Sie hat das Potenzial zum Gamechanger zu werden. Daher haben wir uns vermehrt mit ihr und ihren Möglichkeiten für die Deka und für den Sparkassen-Verbund beschäftigt. Wir haben 2016 auch die ersten Proof of Concept (PoC) auf der Sparkassen-Verbundebene erstellt und mit Landesbanken, der Finanz Informatik, SIZ und anderen Verbundpartnern zusammen ausprobiert, wie diese Technologie funktioniert.

WELCHER ART WAREN DIE POCS?

ANDREAS ALBRECHT / Das waren natürlich zu Beginn einfachere Sachen. So wollten wir herausfinden, was es im Detail bedeutet, einen Coin zu definieren und entstehen zu lassen. Das zweite Thema, das wir ausprobiert haben, war die Umsetzung der Know-Your-Customer-Prozesse (KYC). Es waren damals schon die gleichen Arten von Use Cases, die man heute immer noch diskutiert. Nur waren wir damals technologisch noch in einem sehr frühen Stadium. Es gab Versuche mit Ethereum, Bitcoins, Stella, Ripple oder ähnlichem. Dann kam erst Hyper-Ledger von IBM, R3 Corda fing langsam an.

WAREN DIESE POCS ERFOLGREICH?

ANDREAS ALBRECHT / Ein Projekt mit einem veritablen Ziel, das budgetiert wird, war auf der Basis nicht zu erzielen. Insofern waren die PoCs kommerziell nicht erfolgreich. Aber wir haben uns damals das Rüstzeug für die späteren, erfolgreichen PoCs geholt und auch gesehen, welche Limitierungen es für erfolgreiche Umsetzungen gibt. So ist ein Problem auch heute noch die fehlende Standardisierung. Beispiel KYC: Regulatorisch muss die Bank selbst sicherstellen, dass ihre Daten aktuell sind, dass die Ausweise geprüft worden sind, dass die Geldwäscheprüfung aktuell ist etc. Nutzt man nun die Blockchain für KYC und eine Bank legt einen „Stempel“ darauf, dass jemand authentifiziert ist, dann sind immer noch alle anderen Teilnehmer des Verbundes, die auf diese Authentifizierung zurückgreifen, in einem gewissen rechtsleeren Raum. Das ist natürlich technisch möglich und Banken können die Technologie nutzen, aber das potenzielle Fehlverhalten kann keine Bank einfach akzeptieren. Dafür braucht es einen klaren gesetzlichen Rahmen, wie man sich auf eine solche verlagerte KYC-Prüfung verlassen darf, dazu benötigt es eine Standardisierung auf EU-Ebene. Es gibt Initiativen zum Thema Identität auf der Blockchain, die wir sehr genau beobachten. Sollte sich EU-weit eine solche Identifikation tatsächlich durchsetzen, dann besteht eine große Chance, dass es Bankregularium wird – und dann wird es nicht lange bis zum ersten Produktiveinsatz dauern.

SEHEN SIE MOMENTAN DIE REGULATORISCHEN ODER DIE TECHNISCHEN HÜR-DEN ALS MAßGEBLICH?

ANDREAS ALBRECHT / Man kann beides nicht gegeneinanderstellen. Die regulatorische Hürde ist ein wichtiger Faktor, damit im Unternehmen selbst die Entscheidungen für die Blockchain-Projekte fallen können. Hier sehen wir erste gute Ansätze mit dem Referentenentwurf der Bundesregierung (Entwurf eines Gesetzes zur Einführung von elektronischen Wertpapieren vom August 2020). Die technologische Hürde ist auch für den Kunden nicht zu unterschätzen. Wichtig ist hier, im Verbund zu agieren. Es macht keinen Sinn, wenn jeder für sich beispielsweise KYC auf der Blockchain durchführt. Dann tauscht man Technologie gegen Technologie, aber lässt die Blockchain nicht ihre Stärken ausspielen. Von daher macht Blockchain für KYC-Prozesse oder für eine digitale Identität durchaus Sinn, bedarf dann aber auch einer gewissen Standardisierung und Regulierung, wie das Ganze aufzusetzen ist. Wichtig sind auch die technologischen Hürden für den Kunden: Keys müssen verwaltet werden und muss nun der Kunde wissen, was ein Private- und ein Public-Key ist? Ist er für diese Keys selber zuständig? Und was passiert, wenn er seine Keys verliert? Bis diese Fragen nicht im Sinne des Kunden einfach gelöst werden, wird sich dieses Konzept nie in der Breite durchsetzen. Das heißt, es muss technologisch immer alles so einfach ablaufen, dass es dem Endkunden egal ist, wie es funktioniert. Solange es der Fall ist, dass meine Krypto-Schlüssel weg sind, falls mein Handy weg ist oder der Laptop kaputt ist, solange wird sich diese Technologie nicht durchsetzen.

GIBT ES AUS IHRER SICHT NOCH WEITERE BEREICHE NEBEN KYC, IN DENEN SIE GROßES POTENZIAL FÜR DIE BLOCKCHAIN SEHEN?

ANDREAS ALBRECHT / Das aktuell sicher prominenteste Thema, an dem alle arbeiten, sind Digitale Assets oder Krypto-Assets. Der Umgang mit digitalen Assets ist nicht komplett neu, da Wertpapiere schon lange weitestgehend digital verarbeitet werden. Aber die Tokenisierung von Wertpapieren oder deren Anspruch auf der Blockchain abzubilden, hat großes Potenzial für uns. Man kann damit Umlagerungszeiten massiv verkürzen und vereinfachen. Das ist gerade in unserem Wertpapierumfeld ein echter Effizienzbringer. Dabei geht es in erster Linie noch gar nicht um die Erstellung und Emission neuartiger Wertpapiere, sondern um eine echte Erleichterung der Verwaltung, wie die Übertragung von Werten. Und natürlich ist das Thema Tokenisierung von Immobilienansprüchen gerade stark präsent, auch wenn man noch nicht genau weiß, wie das Ergebnis aussehen wird. Denn wenn jemand Immobilienansprüche tokenisiert, handelt es sich oft um Nachhangdarlehen oder Anteile an einer Zweckgesellschaft. Das sind nie die Ansprüche auf die Immobilie, sondern Ansprüche gegenüber einer Gesellschaft oder eines Darlehens etc. Tatsache ist aber auch, dass ein Riesenpotenzial besteht, diverse Werte, die heute nicht wertpapierartig gehandelt werden können, handelbar zu machen, da alles, das irgendwie einen Wert hat, mit einem Wertanspruch auf einer Blockchain repräsentiert werden kann. Immobilien sind jetzt ein Hype. Aber in Zukunft könnten das alle Arten von Werten sein, die so gehandelt werden können. Das wird dann extrem spannend und daher muss man sich sehr genau anschauen, was da gerade passiert. Der andere wichtige Trend ist die Abbildung aller Bankprodukte auf der Blockchain. Das ist die Thematik Decentralized Finance (DeFi). Hier entstehen neben den klassischen Bankfunktionen auf Coin-Basis auch diverse Arten von Derivaten. Da werden Derivate entwickelt, die man als Bank gar nicht machen kann, oder die so speziell sind, dass eine Bank sie nicht machen würde.

KÖNNEN SIE UNS EIN PAAR BEISPIELE NENNEN?

ANDREAS ALBRECHT / Man kann beispielsweise Devisen als Smart Contract abbilden. Basierend auf einem Derivatekonstrukt mit dem zugrundeliegenden Ethereum Token kann der Dollar auf der Blockchain nachgebaut werden. Dann habe ich plötzlich eine Währung synthetisiert. Als nächstes erlaube ich Einlagen in diesem Dollar und bilde eine Art Spareinlagesystem. Und das ist nur der Anfang für derartige Derivative.  

WIE STEHT DIE DEKA ZU DERARTIGEN TOKENISIERUNGEN? GIBT ES BEREITS ERSTE PRODUKTIDEEN?

ANDREAS ALBRECHT / Aktuell gibt es dazu keine Überlegungen. Es passt nicht zur Deka, Oldtimer oder Kunst als tokenisierte Investment-Idee anzubieten. Wir wollen sichere und verständliche Geldanlagen für einen breiten Teil der Bevölkerung anbieten. Ich könnte mir Tokenisierung von Immobilien vorstellen. Hier passt die Größenordnung, das Asset an sich ist bekannt und dazu die Vorteile der Blockchain addiert, kann es ein Erfolg werden. Für die Deka ist es am interessantesten, wie Wertpapiere oder Wertpapieransprüche an Endkunden oder auch institutionelle Kunden schnell, einfach und kostengünstig übertragen werden können. Und das auch im internationalen Umfeld. Im nationalen Umfeld sind die Systeme durchaus effizient, aber in internationalen Anlagen sind sehr oft viele Parteien in den Geschäften beteiligt und dann wird es ineffizient und kann ein paar Tage länger dauern, bis Wertpapiere umgeschichtet werden. Hier können wir uns durchaus vorstellen, Blockchain einzusetzen. Im Prinzip entstehen dann ein paar digitale Verwahrstellen, welche die Assets physisch halten und die zugehörigen Tokens emittieren. Aktuell arbeiten wir an einem Projekt mit genau diesem Ziel. Das ist das zweite große Projekt, bei dem wir versuchen, einen analogen Prozess neu zu digitalisieren.

WAS WAR DAS ERSTE PROJEKT?

ANDREAS ALBRECHT / Das erste produktive System, das wir abgebildet haben, war Finledger. Dabei ging es darum, Schuldscheine effizienter abzuwickeln – und zwar nicht den Handel oder das Umbuchen eines Schuldscheines, sondern die analoge Abwicklungsstrecke. Die Überlegung war also, ob man es schafft, ein uranaloges Produkt, das mit Papier und Unterschrift funktioniert, zu digitalisieren. Und genau das haben wir dann auch in diesem Umfeld umgesetzt und einen relativ aufwendigen Prozess sehr unspektakulär digitalisiert.

Mit Finledger haben wir ja eigentlich den Backoffice-Prozess digitalisiert. Es ging nicht darum, ein neues Produkt zu generieren, sondern die Abläufe nach dem Handel zu vereinfachen und zu automatisieren. Damit war es ein echtes Digitalisierungsprojekt mit all den Vorteilen der Digitalisierung: Alles, was vorher per Post und Unterschrift abgewickelt wurde, mit einer Dauer von mehreren Tagen, passiert jetzt mit einem Klick. Somit haben wir einen Geschwindigkeits- und einen Kostenvorteil generiert. Das Produkt ist über mehrere Banken hinweg standardisiert und rechtlich geklärt – und damit schneller und einfacher für alle teilnehmenden Institute. Auch handelt es sich immer um die gleichen Arten von Schuldscheinen, so dass nicht jedes Mal rechtlich geprüft werden muss, was gekauft wird.

WAS SIND AUS IHRER SICHT DIE GRÖßTEN VORTEILE DER BLOCKCHAIN?

ANDREAS ALBRECHT / Grundsätzlich sind drei Vorteile zu nennen. Wir haben diese Vernetzung, diesen Ökosystemgedanken, der viele verschiedene Mitspieler mit einer Standardisierung zusammenbringen kann. Dann haben wir den Sicherheitsgedanken, diese Unkorrupierbarkeit der Daten. Und als Drittes die Geschwindigkeitsvorteile gegenüber anderen Abwicklungskonzepten. Die Blockchain ist das Digitalisierungsinstrument und genau deshalb haben wir Finledger auf Blockchain-Basis gebaut. Wir hätten Finledger auch klassisch auf einer zentralen Plattform mit einem Administrator aufsetzen können. Aber dann hätten wir die soziale Komponente der Blockchain verpasst. Sie bringt Leute dazu, zusammenzuarbeiten und eine gemeinsame Standardisierung zu akzeptieren. Die Blockchain ist immer ein Netzwerk von Vertrauen. Und das besondere ist, dass dieses Vertrauen durch IT-Systeme geschaffen wird, nicht durch vertrauenswürdige Dritte. Mit Algorithmen geschaffenes Vertrauen benötigt keine weitere Kontrolle, damit ermöglicht die Blockchain als Vertrauensnetzwerk Effekte, die vorher nicht möglich waren. Daher haben wir Blockchain genutzt, um dieses Vertrauen technisch zu ermöglichen. Blockchains bringen Vertrauen in Systeme, wo vorher kein Vertrauen war. Und so schaffen sie auch die Möglichkeit, dass Konkurrenten zusammen an einem Thema arbeiten, ohne dass einer das Metier bestimmt.

WO SEHEN SIE DIE GRÖßTEN EINSATZPOTENZIALE?

ANDREAS ALBRECHT / Blockchain macht immer nur Sinn, wenn man in einer verteilten Welt zusammenarbeiten muss. Unsere Welt ist nicht zentral, sondern dezentral organisiert. IT-Systeme bilden immer die herrschenden Organisationsstrukturen ab. Also ist die Blockchain ein gutes IT-System, um dezentrale Strukturen abzubilden. Und genau das haben wir mit Finledger adaptiert. Die dezentrale Zusammenarbeit dieser Banken kann technisch über eine Blockchain abgebildet werden. Vertrauen ist der Schlüssel in Kooperationen. Und im Unterschied zu herkömmlichen Datenbankstrukturen, die einen Administrator benötigen, dem jeder Partner uneingeschränktes Vertrauen schenken muss, fehlt dieser bei Blockchain. Im Beispiel Finledger haben wir mehrere Banken, die die Transaktionen verifizieren. Das heißt, wir haben das Vertrauensniveau dadurch erhöht, dass alle Banken jede Transaktion oder jede Statusänderung verifiziert. Ein einzelner Teilnehmer ist also nicht in der Lage das System zu korrumpieren. Das ist der große Vorteil, den man in der Blockchain-Technologie hat.

WARUM IST DIE TECHNOLOGIE IHRER MEINUNG NACH TROTZ DES GROßEN PO-TENZIALS NOCH SO WENIG VERBREITET?

ANDREAS ALBRECHT / Hier spielen zwei Aspekte eine Rolle. Der erste ist, dass man eine Blockchain allein zwar betreiben kann, aber sich echte Ergebnisse nur mit mehreren Partnern erzielen lassen. Baut man seine eigene Blockchain, hat man einen Lerneffekt, man versteht, wie die Technologie funktioniert, weiß, wie man mit solchen Themen umgehen kann. Aber das ist dann ähnlich wie damals mit dem Internet. Jeder baut sein eigenes Netzwerk und wenn man kommunizieren möchte, muss man im selben Netzwerk sein. Es gab ein eigenes AOL-Netzwerk, es gab ein Compuserve und dann gab es noch diverse Arten von Netzwerken, in denen kommuniziert wurde und jeder warb darum, dass die Kunden nur im eigenen Netzwerk verbleiben. Es gab eigene Browser, eigene Messenger und eigene Angebote nur für die eigenen Kunden. Aber am Ende hat sich das offene Internet, wie wir es heute kennen, durchgesetzt. Es gibt Standards wie TCP/IP und alle Firmen bieten ihre Services offen an. Und genau so sehe ich das auch beim Thema Blockchain. Das führt uns zum zweiten Aspekt: Der Nutzen ist am größten, wenn viele Leute etwas zusammen machen. Es muss einen Standard geben, wie Blockchains oder User miteinander kommunizieren können. Denn letztendlich ist es ein System, mit dem Werte oder Wertansprüche auf eine sichere Art und Weise übertragen werden, genauso wie heute im Internet Informationen übertragen werden. Wir sind es alle seit Ende der Neunziger gewohnt, Informationen über das Internet zu übertragen und so werden wir wahrscheinlich auch in zehn oder zwanzig Jahren gewohnt sein, Werte über die Blockchain zu übertragen.

GIBT ES ANWENDUNGSBEREICHE, DIE AKTUELL ALS VIELVERSPRECHEND GE-SEHEN WERDEN, ZU DENEN SIE ABER EINE ANDERE MEINUNG HABEN?

ANDREAS ALBRECHT / Wenn man in einem Anwendungsfall das Wort Blockchain durch Datenbank ersetzen und der Anwendungsfall einem immer noch sinnvoll erscheint, dann ist man auf dem Holzweg, dann ist es kein Blockchain-Case. Wir haben bei eigentlich allen Anwendungsfällen in der Blockchain einen enormen Verschleiß zwischen der bestehenden Welt, die aus sehr vielen zentralisierten Einzelsystemen besteht und der Idee der Blockchain. Wenn man die Wertschöpfungskette ganz aggressiv betrachtet, wenn wir im Beispiel Digital Assets bleiben, dann kann jeder auf seinem Handy sehen, wieviel er besitzt und jeder kann ohne Zwischeninstanz umbuchen. Und dann sind die ganzen Einzelsysteme plötzlich obsolet und es fällt auf, dass der Vorteil frappierend ist, wenn es nur noch eine Buchhaltung gibt. Solange aber versucht wird, in heutigen Systemen, in denen jeder seine eigene Buchhaltung hat und abgleichen muss, eine Blockchain zu integrieren, wird der Case scheitern.

WERDEN BANKEN DADURCH ERSETZT ODER GESTÄRKT WERDEN?

ANDREAS ALBRECHT / Es wird immer Banken geben, nur ist gegebenfalls die Rolle der Bank in einer Blockchain-Ökonomie eine andere. Vielleicht verwalten die Banken der Zukunft für uns die privaten Keys und bieten uns Mehrwertdienste in der Vorsorge. Vielleicht verwalten Banken nicht mehr große IT-Systeme mit Kontenführungen.

Die Vorteile der Blockchain liegen aus meiner Sicht so stark auf der Hand, dass die Art und Weise, wie Werte gebucht werden, früher oder später darauf basieren wird. Die Disruption in der Finanzindustrie wird jedoch langsamer sein, wie es beim Internet oder anderen Branchen der Fall war. Die Blockchain kann allerdings für die Finanzindustrie das sein, was der Elektromotor für die Automobilbranche ist.

WANN WIRD ES IHRER MEINUNG NACH DEN DURCHBRUCH GEBEN?

ANDREAS ALBRECHT / Die Frage nach dem „Wann“ zu beantworten, ist schwierig. Beim Internet gab es nicht den einen Moment, von dem an alles anders war. Vielmehr hat man gesehen, dass Geschäftsmodelle funktionieren, dass man tatsächlich bei eBay, Amazon etc. bestellen kann und die Waren auch geliefert werden. Am Anfang hatten die Nutzer Angst, dass sie bezahlen und nichts ankommt. Dann kam PayPal und hat den nötigen Schutz vermittelt. Und heute ist sowohl Onlinebanking als auch E-Commerce absolut normal und sogar der Gewinner gegenüber stationären Diensten. Es gab in den 2000er Jahren auch die Diskussion, ob ein Klick auf einer Webseite genauso verbindlich ist wie eine Unterschrift auf einem Bestellformular. Das musste erst geklärt werden, um E-Commerce erfolgreich werden zu lassen. Solche Standardisierungen und regulatorische Normierungen fehlen heute noch bei der Blockchain.

WIE WIRD SICH DIE BLOCKCHAIN AUS IHRER SICHT KÜNFTIG ENTWICKELN?

ANDREAS ALBRECHT / Ich ziehe hier nochmals den Vergleich zum Internet. 2002 hat niemand daran gedacht, erfolgreich Möbel oder Autos darüber zu verkaufen. Es gab damals viele Ideen, einige sind gescheitert, aber dann kam eine weiße Homepage mit einem einzigen Eingabefeld und einem Knopf, mit dem man eine Suche starten konnte und es gab einen Bücherversand aus Seattle. Da dachten alle, das wird kein Geschäft werden. Und ich denke, dass wir mit dem Thema Blockchain aktuell in einer ähnlichen Phase sind. Viele glauben, dass das Thema nicht mehr relevant ist, aber tatsächlich sind wir nur in diesem Gartnertal der Depressionen. Der Hype hat stattgefunden, vieles wurde versucht und manches ist erfolgreich. Aber so langsam verschieben sich die erfolgreichen Anwendungsfälle sukzessive in die reale Wirtschaft. Deshalb bin ich überzeugt, dass wir dort künftig eine Menge sehen werden.

Erste Schritte wurden auch in Deutschland schon gegangen. So übernimmt die Düsseldorfer Börse den Sekundärmarkt für Bitbond. Damit kann ein beliebiges neu erstelltes digitales Asset an den uns bekannten Börsenplätzen gehandelt werden. Der Anleger bekommt dann nicht mehr mit, ob es ein STO oder eine normale Emission ist. Und dann ist plötzlich der Moment erreicht, an der die Blockchain übernehmen kann. Man wird an vielen Stellen gar nicht feststellen, dass überhaupt Blockchain-Technologie darunter ist, man wird nur merken, dass Prozesse effizienter laufen. Man hat dann bei internationalen Wertübertragungen keine Verlustzeiten mehr, sondern das funktioniert alles sofort. Es fallen geringere Gebühren bei der Übertragung an. Man hat vielleicht weniger IT-Systeme. Das sind die Entwicklungen, die man sich vorstellen kann. Wie gesagt, ich habe 2002 eine Webseite entdeckt, auf der nichts drauf war, nur ein Suchfenster. Und diese Webseite ist heute marktdominierend.

VIELEN DANK FÜR DAS INTERVIEW, HERR ALBRECHT!

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