Primärdaten-basierte Kalkulation in der THG-Bilanzierung
Die Erstellung einer THG-Bilanz variiert leicht je nach Standard, jedoch wird grundsätzlich die gesamte Supply Chain des Unternehmens abgedeckt. Die Durchführung erfordert nicht nur umfassende Verbrauchsdaten, sondern auch die korrekte Allokation von Emissionsfaktoren.
Im Scope 1 und 2 (direkte Emissionen und indirekte Emissionen aus zugekaufter Energie) ist die Komplexität gering, da Emissionsfaktoren für Energieträger valide und teilweise spezifisch vom Versorger bekannt sind. Im Gegensatz dazu gestaltet sich Scope 3 (indirekte Emissionen in der Lieferkette) anspruchsvoller. Sekundärfaktoren sind hier Treiber für Ungenauigkeiten.
Besonders die Warengruppen im Einkauf (vorgelagerter Scope 3) sind problematisch. Ein Spend-basierter Ansatz bringt hier langfristig wenig. Die unzureichende Pflege von Stammdaten (z. B. Werkstoff, Gewicht) macht einen volumen- bzw. gewichtsbasierten Ansatz schwer möglich. Eine gründliche Bereinigung der Stammdaten ist für das Carbon Management daher unumgänglich. Im Rahmen des nachgelagerten Scope 3 müssen annahmenbasierte Ansätze gefunden werden, die Emissionen für Produktnutzung, -weiterverarbeitung und Entsorgung abschätzen. Die Dokumentation der Annahmen ist für die Nachvollziehbarkeit und externe Validierung essenziell.
THG-Reduktionsziele als Maßstab – nicht nur für positive Kommunikation in Nachhaltigkeitsberichten
Ein Trend zeigt sich in Unternehmen, die im Rahmen der Science-Based Targets (SBTi) kurz- und langfristige Klimaziele definieren. Diese Entwicklung ist abseits der Risiken für Greenwashing grundsätzlich positiv, da sich Unternehmen ernsthaft mit der Dekarbonisierung auseinandersetzen. Die Entscheidungsfaktoren für die Festlegung von Klimazielen sind vielfältig und umfassen sowohl interne als auch externe Einflüsse. Interne Faktoren wie Wachstumsambitionen, Zugang zu Technologie und Effizienz in Prozessen spielen eine ebenso entscheidende Rolle wie externe Einflüsse, darunter Kundenerwartungen, Regulatorik, Wettbewerb und die Entwicklung der Branche. Der Kunde selbst spielt oft eine Schlüsselrolle, sei es im B2B- oder B2C-Markt.
Maßnahmen, Maßnahmen, Maßnahmen
Reduktionsmaßnahmen mit dem klaren Ziel, den Klimatransformationsplan in Scope 1-3 auf Basis der eigenen Ambition zu realisieren, sind zentral im Carbon Management. CAPEX ist zwar ein bedeutender Teil, aber auch über Effizienzgewinne, OPEX-Optimierung und andere Ansätze lassen sich erhebliche Fortschritte erzielen. Besonders im umfangreichen Scope 3 spielen funktionale Strategien eine entscheidende Rolle. Hierbei steht beispielsweise der Einkauf vor der Herausforderung, als „Gatekeeper“ mit begrenztem Einfluss die Emissionen zu reduzieren, auch wenn der Großteil der Emissionen im „Upstream-Bereich“ der Lieferkette liegt und somit von Lieferanten zugekauft wird. Mit fortschreitender Transformation der Industrie wird die Nachfrage für nachhaltige Materialien steigen und damit auch das Angebot der Lieferanten. Eine tatsächliche Reduktion der Emissionen stellt für Unternehmen dennoch eine große Herausforderung dar. Daher sollte das Lieferantenmanagement bereits heute den Grundstein legen.
Im Scope 1 und 2 liegt der Fokus auf Infrastruktur und Fuhrpark. Eine schnelle Transformation ist hier zwar möglich, aber kostenintensiv: Eine konsequente Planung und die Einbeziehung von CAPEX in die Budgets ist wichtig. Fördermöglichkeiten sollten dabei nicht übersehen werden.
Die Priorisierung und Analyse von Maßnahmen sind wichtig. Der Wertbeitrag einer Maßnahme muss bewertet und Abhängigkeiten analysiert werden, um eine effektive und nachhaltige Umsetzung zu gewährleisten.
Reporting – extern für Regulatorik, intern für das Performance Management
Unsere Studien haben gezeigt, dass als Ausgangspunkt für Nachhaltigkeitsbemühungen Kundenanforderungen vor den regulatorischen Vorgaben kommen. Dennoch ist die CSRD maßgeblicher Treiber für Anstrengungen im Carbon Management. Die vielfältigen Datenpunkte, insbesondere innerhalb der European Sustainability Reporting Standards (ESRS) E1, setzen klare Anforderungen an Unternehmen hinsichtlich ihrer gesamten Wertschöpfungskette. Besonderes Augenmerk liegt dabei auf der THG-Bilanz Scope 1-3.
Aus interner Sicht sollte die Erfassung der Treibhausgasemissionen in das Performance Management auf Top-Management-, aber auch operativer Ebene integriert werden. Dabei ist ein integriertes Reporting entscheidend, damit Emissionen auf gleicher Ebene wie z. B. Kosten und Qualität stehen können. Treiberbäume helfen, Verständnis bei unklaren Entwicklungen der Scope 1-3 Emissionen zu schaffen. Auch der Fortschritt der Maßnahmenumsetzung und die damit einhergehende Zielerreichung muss auf Unternehmensebene gesamthaft, aber auch im Detail je nach Scope und Detailkategorie, im Auge behalten werden.
Ohne Steuerungsimpulse funktioniert es nicht
Die grüne Transformation steht vor einer zentralen Herausforderung: Sie ist teuer. Der wahre Erfolg des Carbon Management zeigt sich erst dann, wenn Entscheidungen vermieden werden, die einen negativen Einfluss auf die Umwelt oder die Treibhausgasbilanz haben. Dies bedeutet, dass nachhaltige Alternativen, selbst wenn sie mutmaßlich teurer sind, bevorzugt werden müssen. Die Lösung für dieses Dilemma liegt in der vollständigen Integration von Emissionen in die Steuerungsmodelle der Unternehmen entlang aller Dimensionen. Treibhausgasaspekte müssen in sämtliche bestehende Steuerungsinstrumente, u. a. entlang des Planungszyklus oder in die vielfältigen End-to-End Prozesse, integriert werden. Die Einführung eines internen CO2-Preises kann hier hilfreich sein, um beispielsweise Investitionsentscheidungen in Richtung Nachhaltigkeit zu lenken.
Eine weitere Facette der Steuerung im Rahmen des Carbon Management ist die Kompensation und Anreizsetzung. Von Top-Management bis zur operativen Ebene sollten Anreize entsprechend der Emissionsintensität, Reduktionsziele oder anderer relevanter Dimensionen in die Zielvereinbarungen integriert werden. Diese können beispielsweise Quoten für nachhaltige Materialien im Einkauf oder Mindestumsätze mit nachhaltigen Produkten im Vertrieb umfassen.
Integrierte Systemlandschaft – Schritt für Schritt
Die letzte Herausforderung des Carbon Management zeigt sich in der langfristigen Integration in Softwarelösungen. Der Markt ist aktuell sehr heterogen und entwickelt sich weiter stark. Langfristig auf eine Plattform zu setzen, die integriertes Carbon Management ermöglicht, ist sinnvoll. Idealerweise sollte dies in bestehende Plattformen wie BI-Systeme oder Data Warehouses integriert werden und auch mit den anderen ESG-Dimensionen zusammenpassen. Externes Reporting stellt oft die dringlichsten Anforderungen an die Systemlösung, jedoch sollte die interne Steuerung auch systemseitig nicht außer Acht gelassen werden. Im ersten Schritt auf bestehende Lösungen aufzubauen und die Integration der Systemlandschaft als langfristige Reise zu verstehen, hat sich bewährt.