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Hoffentlich beschweren sich Ihre Kunden –Warum Versicherungen unzufriedene Kunden zu Beschwerden motivieren sollten

Kundenunzufriedenheit wird vielfach von Unternehmen nicht erkannt. Studien belegen, dass nur jeder dritte unzufriedene Kunde sich auch beschwert. Ein aktives, technisch unterstütztes Customers@Risk Management bietet dem Unternehmen die Chance, in einem positiven Dialog aus unzufriedenen loyale Kunden zu machen. Die Beschwerde ist eine von vier Handlungsmöglichkeiten, über die ein unzufriedener Kunde seinem Unmut Luft machen kann – und zweifelsohne die beste für das Unternehmen. Denn, wer sich nicht beschwert, ist künftig nicht mehr für weitere Verträge ansprechbar, schadet dem Unternehmen durch negative Mund-zu-Mund-Kommunikation oder wandert ab – ohne dass die Versicherung die Chance bekommt, wirkungsvoll gegenzusteuern.

Kunden(un-)zufriedenheit ist subjektiv

Unzufriedenheit ist die Folge einer wahrgenommenen Diskrepanz zwischen erwarteter und erlebter Leistung. Dabei ist die Erwartungshaltung an die erlebte Qualität rein subjektiv und individuell. Zahlreiche Faktoren wie sinnliche Wahrnehmung, z. B. im telefonischen Kontakt, erlebte Zuverlässigkeit, Reaktionsfähigkeit und Leistungskompetenz im Schadenfall beeinflussen das Kundenerlebnis.

Die Kundenerwartung ist in den vergangenen Jahren deutlich gestiegen. Kunden erwarten – bei erhöhter Kontaktfrequenz – schnellere Reaktionszeiten und maximale Transparenz. Auch haben Kunden ein erhöhtes Problembewusstsein. Sie fordern ausdrücklich, dass ihre Probleme ernst genommen werden und zukünftig nicht mehr auftreten.

Leider nimmt bei vielen Unternehmen die Qualität im Kundenservice ab. Häufige Gründe sind z. B. Rückstände und als Folge weiter erhöhtes Telefon-/E-Mail-Aufkommen oder steigende Komplexität in der Produktlandschaft und veraltete Prozesse zwischen 1st und 2nd Level Support, sodass kundenorientierte SLAs nicht mehr gehalten werden können.

Damit wir uns nicht falsch verstehen: Fehler sind menschlich und Probleme in der Fallbearbeitung werden auch weiterhin auftreten. Im Falle einer hoffentlich erfolgenden Beschwerdeartikulation muss der Beschwerdeprozess jedoch konsequent „reibungslos“ und mindestens zur Zufriedenheit, besser zur Begeisterung des Kunden verlaufen. Denn es hat sich gezeigt, dass nach einer positiv erlebten Beschwerdebearbeitung viele Kunden überdurchschnittlich loyal zum Unternehmen stehen, über das sie sich gerade erst beschwert haben.

Wenig Beschwerden bedeutet nicht zufriedene Kunden

Eine geringe Anzahl eingehender Beschwerden ist nicht mit Kundenzufriedenheit gleichzusetzen. Studien belegen, dass ca. 70 Prozent der unzufriedenen Kunden inaktiv bleiben. Geringe Beschwerdequoten bedeuten daher ein sehr großes Risiko, das nicht vom Versicherer erkannt wird. Obwohl viele Versicherungen angeben, in regelmäßigen Abständen eine Messung der Kundenzufriedenheit vorzunehmen, ist es umso erstaunlicher, dass bei den meisten die Beschwerdequote nur aus den Vorstands-, BaFin- und Ombudsmannbeschwerden gebildet wird. Das ist aber nur die Spitze des Eisbergs der unzufriedenen Kunden. Für viele Versicherer besteht hier offensichtlich noch Handlungsbedarf.

Für Versicherungen bedeutet gerade der Umgang mit Beschwerden eine große Chance zur Steigerung der Kundenbindung. Plus: Jedes Unternehmen, das in der heutigen Marktlage die Beschwerde seiner Kunden nicht ernst nimmt, läuft Gefahr, Kunden zu verlieren.

Kundenverhalten bei Unzufriedenheit

Unzufriedene Kunden können grundsätzlich in zwei Gruppen eingeteilt werden: die Aktiven und die Inaktiven. Bei einer differenzierteren Betrachtung lassen sich unzufriedene Kunden aber auch durch die folgenden vier Handlungsmöglichkeiten charakterisieren:

  • Beschwerde
  • Inaktivität
  • Negative Mund-zu-Mund-Kommunikation
  • Abwanderung

Je länger der Kunde mit seiner Beschwerde zögert, umso wahrscheinlicher wird es, dass er inaktiv bleibt. Die Unzufriedenheit staut sich auf, der Kunde resigniert und wird vermutlich schlecht über seinen Versicherer reden sowie bei gegebener Gelegenheit „plötzlich“ abwandern. Bereits abgewanderte Kunden zurückzugewinnen ist zumindest mit hohen Rückgewinnungskosten verbunden, meist allerdings gar nicht möglich.

Die Beschwerde stellt also nur eine Form der Reaktion des unzufriedenen Kunden dar. Für ein Unternehmen bedeutet sie jedoch die Chance, unzufriedene Kunden durch schnelle, kompetente und situationsgerechte Beschwerdebearbeitung zu loyalen Kunden zu machen. Aber erst wenn das Unternehmen die Kundenunzufriedenheit erkennt, kann es Maßnahmen ergreifen, eine drohende Abwanderung zu verhindern. 

Ziel sollte es daher sein, die Beschwerdeaktivität der Kunden zu steigern.

Aktives Customers@Risk Management für Versicherungen

Ein aktives Customers@Risk Management ist der Schlüssel zur Sicherung abwanderungsgefährdeter Kunden. Zunächst müssen Kundenäußerungen von Unzufriedenheit gezielt motiviert und erleichtert werden. Im Sinne eines Omnichannel Management müssen dazu alle Kanäle aktiv angeboten, ja sogar beworben werden. Beschwerdestimulierung soll den Kunden aus seiner Inaktivität holen. Aktiv kommunizierte und leicht zugängliche Kommunikationskanäle (telefonisch, schriftlich, elektronisch, persönlich) sind dabei wesentliche Erfolgsvoraussetzung. Je häufiger und offener der Kundenkontakt, desto höher ist die Wahrscheinlichkeit einer stabilen Kundenbeziehung.

Die Äußerung der Unzufriedenheit muss dann aus den Kanälen in eindeutige Prozesse an definierte Rollen zur Bearbeitung weitergeleitet werden. Standardisierte Vorgehen sichern die strukturierte und systematische Bearbeitung. Verbunden mit einer kundenorientierten Einzelfalllösung kann so die Kundenzufriedenheit wieder hergestellt werden. Bei der Beschwerdeannahme und Bearbeitung ist der persönliche Kundenkontakt über das Telefon durch empathische und geschulte Mitarbeitende einer schriftlichen Bearbeitung immer vorzuziehen. Zur Vermeidung oder Verringerung von Unzufriedenheit bei Kunden gibt es verschiedene Stoßrichtungen.

Zum einen müssen die Prozesse beginnend im Inputmanagement bis zur Sachbearbeitung und dem Outputmanagement optimiert werden, um das Kundenerlebnis positiv, d. h. schnell, verständlich, fehlerfrei und freundlich zu gestalten. Dazu muss man die Fehlerquellen identifizieren und schrittweise durch Prozess- und Qualitätsmanagement ausmerzen. Das beginnt bei der fehlerfreie Informationserkennung bei Scan und Indizierung sowie Routing in den Workflow bei Schriftgut oder digitalen Eingängen beziehungsweise bei der richtigen Steuerung eingehender Telefonate. Fehlerhaftes Routing erhöht die Bearbeitungszeit und mindert die Effizienz. Dazu benötigt man Informationen zu Schwachstellen in den Prozessen und Systemen. Manchmal liegt die Ursache von Fehlern auch am Anfang der Wertschöpfungskette in der Produktgestaltung, die nicht mit der Prozessgestaltung abgestimmt ist. Erkennen und Auswerten von Kundenunzufriedenheit ist eindeutiger als Marktforschung. Die Analyse von Unzufriedenheit bei Kunden ist die Voraussetzung für die Ableitung und Umsetzung tatsächlich kausaler und nachvollziehbar erfolgswirksamer Verbesserungsmaßnahmen. Vor der Analyse steht allerdings das Erkennen und die Dokumentation aller relevanten Informationen aus den Kundenanliegen. Dies erfordert aus Effizienzgründen technische Unterstützung. Dazu aber später mehr. Wenn die Schwachstellen schrittweise beseitigt werden, verbessern sich die Prozesse – auch hinsichtlich der Effizienz – und das Kundenerlebnis.

Zum anderen muss geäußerte Unzufriedenheit erkannt und aktiv bearbeitet werden. Je genauer die Äußerung von Unzufriedenheit erfasst wird, die sich manchmal in einem „normalen“ Vorgang versteckt, desto gezielter kann diese aktiv bearbeitet werden. Für eine Detailkategorisierung aller Kundenanliegen sind allerdings viele gängige Inputmanagement-Systeme zum Scannen und zur Indizierung nicht ausgelegt. Dazu benötigt es spezifische Schlagwortkataloge mit allen relevanten Kombinationen von Wortstämmen, die auf eine Unzufriedenheit hinweisen. Spezielle Softwarelösungen wie prime.ic bieten automatisierte Texterkennungs-/Klassifizierungsmechanismen. Dadurch werden Nachklassifikationen von Kundenanliegen inklusive GeVo-Wechsel und interne Weiterleitung vermieden. Die Kundenanliegen werden mit der ersten Indizierung in den richtigen Workflow an die richtige Rolle in der Sachbearbeitung weitergeleitet. Über automatisierte WatchDog Alerts werden Kundenäußerungen von Unzufriedenheit nach Beschwerdegründen kategorisiert und priorisiert.  

An die direkte grenzt die indirekte Phase der Bearbeitung von Unzufriedenheit. Diese beinhaltet die oben beschriebene Ableitung von Verbesserungsmaßnahmen und das Controlling und Reporting der Veränderungen im Rahmen eines kontinuierlichen Verbesserungsprozesses. Dies ist Voraussetzung dafür, dass das Ziel der Qualitätsverbesserung und der Kostenoptimierung erreicht wird. Automatisierte Cluster-/ Priorisierungsanalysen und Qualitätsverbesserungsroutinen ermöglichen, einen „Return of Complaint Management“ zu messen und im Unternehmen zu kommunizieren. Denn: Nur was man messen kann, kann man auch steuern.

Drei Nutzeffekte von Beschwerden mit erheblichem Einfluss auf Beitragseinnahmen

Customers@Risk Management ist kein Selbstzweck oder „Freude an der guten Tat“, sondern muss sich klaren wirtschaftlichen Ziele unterordnen. Für jeden Bestandskunden, den ein Versicherer nicht aufgrund von Unzufriedenheit verliert, muss das Unternehmen keinen Neukunden gewinnen. Der Vertrieb kann daher auf den Ausbau des Marktanteils fokussieren und nicht auf den Erhalt desselben. Diese Wachstumsreserven sind erheblich. Horváth-Projekterfahrungen zeigen Wachstumsreserven von 40 Prozent Netto-Wachstum. Wo steht ihr Unternehmen im Wettbewerb bei der Realisierung von solchen Wachstumsreserven in der Neukundengewinnung?

Effizienzreserven sind Prozessreserven, die aus der Vermeidung von Kommunikation zu Erst- und Folgebeschwerden entstehen. Jeder vermiedene GeVo zu Erst- und Folgebeschwerden spart Systemleistung und Arbeitszeit in der Sachbearbeitung. Projekterfahrungen zeigen Effizienzreserven von 30 Prozent. Diese Kapazitäten können zum Beispiel in andere Aufgaben wie „Kümmerer“ in der Schadensabteilung oder Partnernetzwerkkoordinatoren verlagert werden. Wie verbessert sich die Kostensituation eines Versicherers bei der Hebung von 30 Prozent Effizienzreserven? Wieviel operativer Kostenvorteil kann in der Produktentwicklung an Kunden weitergegeben werden? Wie ändert sich dadurch die Wettbewerbssituation eines Versicherers?

Produktivitätsreserven wirken ebenfalls auf die Kosten, aber nicht durch GeVo-Vermeidung, sondern durch Prozessverkürzung. Jeder nicht automatisierte Erfassungs-, Erkennungs- und gegebenenfalls Weiterleitungsaufwand, der vermieden werden kann spart Geld. Diese vermiedenen Kosten können dann genauso wie vermiedene GeVos zur Verlagerung von Kapazität in andere Aufgaben oder zur Verbesserung der Produktpreise und -konditionen genutzt werden, wie Projekterfahrungen zeigen.

Das Ziel der langfristigen Kundenbindung rückt näher

Durch Customers@Risk Management wird der Dialog mit den Kunden gefördert. Im Rahmen eines kontinuierlichen Verbesserungsprozesses werden unternehmensinterne Schwachstellen aufgedeckt und beseitigt. Leicht zugängliche Beschwerdekanäle helfen, vorhandene Beschwerdehemmnisse abzubauen und unzufriedenen Kunden in zufriedene zu verwandeln. Eine spezifische technische Unterstützung ist Voraussetzung für Wachstums-, Effizienz- und Produktivitätsgewinne und zum Controlling von Verbesserungsmaßnahmen.

Leitzmann, C.