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So gelingt der Turnaround – Sachversicherungen auf dem Weg zu nachhaltiger Profitabilität

Sachversicherungen in Deutschland stehen derzeit unter erheblichen Ergebnisdruck. Die Gründe sind dabei vielfältig. Die Tarifierung ist in einigen Versicherungssparten aufgrund des Preiswettbewerbs und der anhaltend hohen Schadeninflation nicht auskömmlich. Zudem werden notwendige Sanierungen nicht mit der erforderlichen Konsequenz angegangen. Das Neugeschäft ist zu stark auf Prämienwachstum ausgerichtet, ohne aktive Steuerung des Portfoliomixes und der damit verbundenen Ertragsfähigkeit. Bei gleichzeitig unzureichender Effizienz in den Operations ist der Ergebnisdruck hausgemacht. Sachversicherungen müssen daher einen Turnaround anstreben, um nachhaltig profitabel zu bleiben.

Der Negativtrend spiegelt sich auch in der Combined Ratio für die Sachversicherung in Deutschland wider: Im Zeitraum 2019 bis 2023 stieg die Combined Ratio kontinuierlich von 91,3% auf 99,1%, wenn das Schadenjahr 2021 als bis dato teuerstes aller Zeiten einmal ausklammert wird. Mit Blick auf diese Entwicklung ist es nicht verwunderlich, dass die BaFin bereits bei einzelnen Unternehmen Besserungen der Ergebnissituation angemahnt hat und dabei die Solvenzsituation genau beobachtet.  

In vier Schritten zum Turnaround

Aus unserer Projekterfahrung heraus hat sich ein Vorgehen bewährt, das inhaltliche Bausteine analysiert, Handlungsfelder identifiziert und kundenindividuelle Maßnahmen ableitet. 

 

1. Klare Vorgaben und Kommunikation: Was soll bis wann erreicht werden?

Ein erfolgreicher Turnaround beginnt mit der Festlegung klarer Ziele und strategischer Leitplanken. Die Erwartungshaltung ist von Anfang an über konkrete KPIs und Ambitionswerte zu formulieren. Beispiele hierfür sind Vorgaben an den Jahresüberschuss, die versicherungstechnische Rendite oder die Steigerung von Marktanteilen in besonders profitablen Kundensegmenten oder Versicherungszweigen. Strategische Leitplanken geben hierbei eine inhaltliche Orientierung und legen unter anderem den Umfang der Analyse fest. Beispielsweise wird vorab bestimmt, inwieweit Prämien, Abschluss- und Verwaltungskosten oder Schadenaufwände betrachtet werden. Das Baselining schafft einen transparenten Absprungpunkt für die Analysen und die Quantifizierung der Maßnahmen. 

2. Analyse der aktuellen Ergebnis- und Risikosituation sowie Identifikation von Maßnahmen: Woran kann es liegen und wie kann konkret gegengesteuert werden?

Mit Hilfe einer ersten Analyse (nicht-)finanzieller Kennzahlen können bereits erste Hypothesen abgeleitet werden, wo mögliche Handlungsfelder liegen. Hierbei können sowohl Zeitreihen als auch Wettbewerbsvergleiche helfen, Auffälligkeiten zu identifizieren.

Typische Fragen in diesem Kontext können zum Beispiel sein: 

  • Erfolgte Bestandswachstum in besonders schaden- und damit verlustträchtigen Versicherungszweigen? 
  • In welchen Versicherungszweigen wäre profitables Wachstum möglich gewesen? 
  • Wurde das Neugeschäft engmaschig gesteuert? 
  • Konnten vergangene Beitragsanpassungen die Schadeninflation ausgleichen? 
  • Passt das Rückversicherungsprogramm zu den eigenen finanziellen Zielen? 
  • Liegt der Produktivitätsfortschritt über oder unter dem Ambitionsniveau des Marktes? 

Die identifizierten Handlungsfelder können anhand von Detailanalysen verifiziert und im Folgenden mit Maßnahmen hinterlegt werden. Die Ursachen für die Ergebnissituation sind unternehmensspezifisch und gleiches trifft auf Handlungsfelder und Maßnahmen zu. Daher skizzieren wir anhand drei typischer Handlungsfelder, wie Sachversicherungen ihre Ertragsfähigkeit wiederherstellen und stärken können. 

Verbesserungen auf Produkt- und Portfolioebene: 

  • Bündelung margenstarker Leistungsbausteine (ggf. nach Abgleich mit Wettbewerbern) 
  • Steuerung und Monitoring von Tarifumstellungen (Vermeidung einer Reduktion des Kundenwerts durch möglichen Wechsel in Neugeschäftstarife) 
  • Weiterentwicklung des Rabattmodells (Ablösung pauschaler Ansätze durch wertbeitragsorientierte Ansätze) 
  • Ausbau technischer Fertigkeiten zur schnellen Reduktion auf Marktveränderungen (geringe Time-to-Market durch neuartige Pricing-Tools) 
  • Beitragsanpassungen segmentiert nach dem Kundenwert (Bindung profitabler Kunden mit marktunterdurchschnittlichen Anpassungen, Sanierung des unprofitablen Kundenportfolios) 
  • Mittelfristige Anpassung des Produktmixes (forciertes Wachstum in profitablen Versicherungszweigen) 

Schadenmanagement:

  • Aktive Schadensteuerung durch Netzwerke und Kooperationen, z.B. mit Werkstätten und Handwerkern im Retailgeschäft 
  • Reduktion der Schadenaufwände durch Ablöse und Eigenleistungen 
  • Investitionen ins Regress- und Betrugsmanagement 
  • Optimierung des Dienstleistereinsatzes 

Effizienz:

  • Beseitigung struktureller Ineffizienzen auf Basis einer Kosten-Leistungs-Analyse 
  • Investitionen in Digitalisierung und Automatisierung (z.B. Einsatz von KI) innerhalb operativer Bereiche zur Produktivitätssteigerung 

Für jede Maßnahme sollten Verantwortlichkeiten klar definiert und eine Abschätzung zur Fristigkeit und Umsetzungskomplexität vorliegen. Dies schafft die Grundlage für die anstehende Umsetzungsplanung. 

3. Bewertung und Umsetzungsplanung

Die vorgeschlagenen Maßnahmen tragen ausgehend von der vorab definierten Baseline unterschiedlich zum Turnaround bei. Während die Maßnahmen im Handlungsfeld Produkte & Portfolio auf die Verbesserung der Top-Line und des Risikoprofils zielen, wirken die Maßnahmen in den Handlungsfeldern Schadenmanagement und Effizienz vor allem auf die Bottom-Line. 

Für die anstehende Umsetzung empfiehlt sich eine Roadmap mit Meilensteinen, welche die Sachversicherung wieder in die schwarzen Zahlen führt und nachhaltig profitabel gestaltet. Diese Roadmap sollte zum einen zeitnah realisierbare Maßnahmen frühzeitig einplanen, damit schnell erste Erfolge sichtbar werden. Zum anderen sollte die Umsetzung in Phasen geplant werden, um die Auswirkungen auf das Tagesgeschäft zu begrenzen. 

4. Umsetzung

Die erfolgreiche Umsetzung der identifizierten Maßnahmen erfordert eine strukturierte und koordinierte Herangehensweise. Die festgelegte Roadmap und ggf. auf Einzeljahre heruntergebrochene Zeitpläne helfen, den Fortschritt regelmäßig zu überprüfen. 

Bei größeren Veränderungen, vor allem bei der Restrukturierung der Aufbau- oder Ablauforganisation, ist zudem die Begleitung durch Change Management zu empfehlen. Dies fördert die Akzeptanz und das Engagement der Mitarbeitenden und gewährleistet damit Erfolg und Nachhaltigkeit der Maßnahmen.  

Wettbewerbsfähigkeit langfristig sichern

Ein erfolgreicher Turnaround bei Versicherungen erfordert eine klare Zieldefinition, eine umfassende Analyse der (nicht-)finanziellen und Risiko-Kennzahlen, die Identifikation von Handlungsfeldern sowie die Ableitung und Quantifizierung konkreter Maßnahmen. Mit einer klaren Strategie, einer detaillierten Roadmap sowie einer konsequenten Umsetzung können Versicherungsunternehmen ihre Wettbewerbsfähigkeit langfristig sichern und sich erfolgreich am Markt behaupten. 

Warum Horváth? Wir kennen die Versicherungsbranche in all ihren Nuancen und Besonderheiten. Mit unserer weitreichenden Expertise in den Bereichen Produktmanagement, Schadenmanagement und Effizienzsteigerung können wir gemeinsam mit unseren Kunden passgenaue Maßnahmen für große und kleine (Sach-)Versicherungen erarbeiten. Gern unterstützen wir auch Sie dabei, die Ergebnis- und Risikosituation Ihrer Sachversicherung zu verbessern. 

Mägebier, A. / Müller, M.