Gastbeitrag Prof. Dr.-Ing. Dieter Spath

Kompetenzen für den
Arbeitsplatz der Zukunft

Die Digitalisierung hat einen Transformationsprozess eingeleitet, der immer schneller an Fahrt aufnimmt. Unternehmen sollten diese Entwicklung weder unterschätzen noch zögerlich angehen. Doch so groß die Herausforderungen auch sind: Unternehmen in Deutschland begreifen den digitalen Wandel überwiegend als Chance.

Die vierte industrielle Revolution verändert nicht nur die Produktion und die Geschäftsmodelle von Unternehmen, sondern auch die Arbeitswelt insgesamt. Lernende Maschinen, veränderte Vertriebswege sowie eine integrierte Logistik stellen neue Anforderungen an die Arbeitsorganisation und die Menschen: Mit Unterstützung digitaler Helfer steuern Beschäftigte heute immer komplexere Prozesse. Sie müssen lernen, diese zu erfassen, nachzuvollziehen und in flexiblen Teams zu orchestrieren. Unternehmensführungen und Personalverantwortliche sollten diesen Wandel als Change-Manager unterstützen.

Nicht nur im Bereich der industriellen Fertigung übernehmen Maschinen künftig immer mehr Aufgaben, auch der Dienstleistungssektor und die Verwaltung werden durch die Automatisierung neu interpretiert. Wo heute Formulare noch häufig per Hand ausgefüllt, digitalisiert, wieder ausgedruckt und weiterbearbeitet werden, übernehmen künftig intelligente vernetzte Systeme viele dieser Arbeitsschritte. So fallen insbesondere in dem Bereich, den wir hierzulande als Sachbearbeitung bezeichnen, viele Tätigkeiten weg. Zugleich entstehen selbstbestimmtere, qualifiziertere und besser bezahlte Jobs. Denn: Im Zentrum der Einführung neuer Technologien und einer vernetzten Produktion stehen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter mit ihrer Urteilsfähigkeit, ihrer Kreativität und ihrem Erfahrungsschatz. Eine Personalentwicklung, die dies unterstützt, stärkt gute, selbstbestimmte Arbeit.

DURCH WEITERBILDUNG IN DIE INDUSTRIE 4.0

In dem von acatech koordinierten HR-Kreis haben Personalvorstände sowie Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler untersucht, wie Unternehmen und Beschäftigte gleichermaßen von der Digitalisierung profitieren können. Ein Ergebnis: Innerhalb der Unternehmen sind Fort- und Weiterbildungen Kernanliegen und Grundvoraussetzung für einen erfolgreichen Aufbruch in die Industrie 4.0. Unternehmen sollten die Selbstbestimmtheit und die Flexibilität ihrer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter fördern und ihnen neue Aufgaben zutrauen. Dazu sind regulatorische Freiräume für innerbetriebliche Experimentierzonen wünschenswert – sowohl vonseiten des Gesetzgebers als auch innerhalb der Unternehmen.

Unternehmen sollten die Selbstbestimmtheit und die Flexibilität ihrer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter fördern und ihnen neue Aufgaben zutrauen.

Für das Kompetenzmanagement gilt ebenso wie für die Umsetzung neuer Produkte oder die Entwicklung innovativer Geschäftsmodelle: Die Entscheider in den Unternehmen müssen ein Verständnis für die disruptiven Veränderungen entfalten, die der digitale Wandel mit sich bringt. Aus diesem Verständnis heraus können sie Strategien und Maßnahmen für die Kompetenzentwicklung der Beschäftigten ableiten. Im Zentrum der Fort- und Weiterbildungen stehen neben IT-Kompetenzen auch die Datenauswertung und -analyse oder das bereichsübergreifende Prozess- Know-how und -management. Immer wichtiger werden auch Soft Skills, die das zunehmend flexible, Sprach- und Kulturgrenzen überschreitende Arbeiten in wechselnden Teams erfordert.

VON GETRIEBENEN ZU TREIBERN

Um in der Plattform-Ökonomie erfolgreich zu sein, müssen Start-ups, Mittelständler und große Unternehmen viel stärker kooperieren als bisher. Das gilt auch für den Bereich der Qualifizierung, in dem insbesondere kleinere und mittlere Unternehmen Unterstützung benötigen. Andernfalls, so warnt unsere Kompetenzentwicklungsstudie, droht eine doppelte digitale Kluft: zum einen zwischen hoch- und niedrigqualifizierten Beschäftigten und zum anderen zwischen großen, mittleren und kleinen Unternehmen.

Angesichts der sich dynamisch ändernden, vernetzten Arbeit wird es eine der größten Herausforderungen für alle Unternehmen sein, individuelle Qualifikationsbedarfe ihrer Belegschaften zu definieren. Auf dieser Basis können sie passgenaue Qualifizierungsformate entwickeln. Außerdem gilt es, flexible Arbeitsformen zu erproben und „smarte“ Talente aus aller Welt anzuziehen. So werden Unternehmen von Getriebenen zu Treibern disruptiver Innovationen und legen die Basis für ihr künftiges Wachstum. Kurzfristig müssen sie viel investieren; doch mittelfristig können sie neue, margenstarke Märkte erschließen, wenn sie – ausgehend von ihren klassischen Geschäftsmodellen – neuartige Pakete aus Produkten und Dienstleistungen anbieten.

PROF. DR. - ING. DIETER SPATH 
ist seit Februar 2017 Präsident von acatech – Deutsche Akademie der Technikwissenschaften. Er leitet unter anderem das Fraunhofer-Institut für Arbeitswirtschaft und Organisation und erforscht die Auswirkungen digitaler Transformationsprozesse auf Arbeit. Als ehemaliger Vorstandsvorsitzender der Wittenstein SE sammelte der Arbeitswissenschaftler Erfahrungen in der digitalen Transformation im Mittelstand.

Weitere Artikel