Seit der Pandemie und dem Angriff auf die Ukraine ist eine Diskussion über die Zukunft globaler Wirtschaftsbeziehungen entfacht. Doch welche Trends zeichnen sich in den Unternehmen ab? Vor welchen Herausforderungen stehen sie? Und wie steht es dabei um Nachhaltigkeitsziele? Diese und weitere Fragen beantwortet Christoph Klenk, CEO der Krones AG, im Interview.
Herr Klenk, rechnen Sie langfristig mit einer zunehmenden Globalisierung, einer Abnahme oder einer stabilen internationalen Vernetzung wirtschaftlicher Beziehungen?
KLENK Handelsbeziehungen tragen sehr stark zur wirtschaftlichen und politischen Stabilität bei. Daher wird es meiner Einschätzung nach künftig nicht weniger global zugehen. Es muss uns allerdings wieder besser gelingen, eine Koexistenz verschiedener politischer Systeme als wichtigen Baustein zu sehen – und wieder mehr in Diplomatie zu investieren. Diese Fähigkeit ist in den vergangenen Jahrzehnten leider verloren gegangen.
Welche Trends zeichnen sich in puncto Globalisierung in Ihrer Branche, also im Maschinen- und Anlagenbau, konkret ab?
KLENK Für uns bei Krones ist derzeit, ähnlich wie für die meisten großen Unternehmen, Diversifikation in den Regionen eins der wichtigsten Themen. Zudem steht die Dispositions- und Beschaffungsstrategie weit oben auf der Agenda – was ich vor einigen Jahren nicht erwartet hätte. Dual Sourcing ist hier ein wichtiges Stichwort, um Risiken in den Wertschöpfungsketten abzusichern. In den vergangenen Jahren lag der Schwerpunkt eher auf der Optimierung des Working Capital. Durch die Veränderungen in der Supply Chain steht aktuell aber die Lieferfähigkeit stärker im Fokus. Eines ist jedoch klar: Wir werden langfristig wirtschaftlich sehr verflochten bleiben.
Was wird sich Ihrer Ansicht nach an den Märkten und Handelspartnern ändern?
KLENK Skaleneffekte und die damit verbundene Wettbewerbsfähigkeit werden für unser Unternehmen immer eine zentrale Rolle spielen. Zudem sind Deutschland und Europa nach wie vor exzellente Handelsstandorte, wenn es um Export oder Barrieren beim Zugang zu anderen Ländern oder Regionen geht. Konkret kann man das beispielsweise für uns benennen, wenn wir unsere afrikanischen Kunden aus Europa oder Asien/China heraus bedienen wollen – hier gibt es sehr große Unterschiede, etwa in Bezug auf Zölle oder die Bearbeitungsdauer von Importen.
Wir sehen aber auch, dass sich unsere Lösungen mit Fokus auf IT und Digitalisierung eher regionalisieren werden. Dies ist insbesondere durch lokal benötigte Fachkräfte getrieben – deren Rekrutierung ist inzwischen in allen Ländern sehr aufwendig – sowie durch lokale Kundenanforderungen, Sprache, und die Möglichkeit, schnell digitale Lösungen mit „physischen Services“ zu verbinden.
Was ist die Kernherausforderung in Ihrem Unternehmen, bezogen auf diesen Wandel?
KLENK Die größten Herausforderungen beschäftigen uns auch unabhängig von der Diskussion rund um Globalisierung. Wir sehen hier vier Themen als ausschlaggebend. Erstens: den Fachkräftemangel, und zwar in Bezug auf allgemeine Qualifikationen als auch speziell in puncto IT und Digitalisierung. Zweitens: Unsere Branche hat in den vergangenen Jahren stark in die Weiterentwicklung von Geschäftsmodellen investiert, neue digitale Lösungen standen dabei im Fokus. Ich bin davon überzeugt, dass die größten Potenziale aber noch vor uns liegen und wir bei weitem noch nicht alle Möglichkeiten ausgeschöpft haben.
Unsere Nachhaltigkeitsziele stellen uns vor eine weitere Kernherausforderung – und damit meine ich nicht, lediglich die regulatorischen Anforderungen zu erfüllen. Vielmehr geht es um den Beitrag von Krones im Sinne einer Selbstverpflichtung, unseren Planeten für die Generationen nach uns im bestmöglichen Zustand zu hinterlassen. Das vierte Thema ist Wettbewerbsfähigkeit und Kostenmanagement. Die vergangenen drei Jahren haben uns deutlich gezeigt, dass vieles nicht planbar ist, aber unvorhergesehene Situationen dennoch adäquat gehandhabt werden müssen. Das stärkere Denken in Szenarien und rollierende Überlegungen werden uns daher dauerhaft begleiten.
Welchen Einfluss hat eine etwaige Deglobalisierung auf Nachhaltigkeitsaktivitäten?
KLENK Für uns bei Krones hat das keinen Einfluss. Globale Megatrends wirken sich direkt und vor allem über unsere Kunden weltweit aus. Ich gebe dazu gerne zwei Beispiele: Zu unseren Kunden zählen zahlreiche Brauereien. Diese benötigen sehr viel Gas und Wasser, um Bier herzustellen. Die Energieeffizienz und der Beitrag zur CO2-Reduktion unserer Anlagen spielt deshalb eine zentrale Rolle, ebenso wie passende Lösungen für die aktuellen, damit einhergehenden Herausforderungen zu finden. Zudem müssen viele unserer internationalen Kunden Plastik reduzieren und recyclen – Stichwort Kreislaufwirtschaft.
Rechnen Sie mit einer stärkeren politischen Einflussnahme? Inwiefern und mit welchen Folgen?
KLENK Ja, das sehen wir aktuell bereits, beispielsweise in Bezug auf Reisebeschränkungen, Sanktionen und Protektionierungen, um nur ein paar Beispiele zu nennen. Das sind alles Hemmnisse, die unser Geschäft erschweren – aber wir können sie handhaben. Daher hat das meiner Ansicht nach keine „Rückabwicklung“ der Globalisierung zur Folge.
Über Christoph Klenk:
Christoph Klenk ist seit 2016 Vorstandsvorsitzender der Krones AG. Er verantwortet die Unternehmensbereiche Human Resources, Nachhaltigkeit, Corporate Communications, Corporate Development, Information Management sowie die gesamte Prozesstechnik und Intralogistik. Seine Karriere bei Krones begann der Diplom-Ingenieur (FH) Maschinenbau 1994 als Projektleiter Vertrieb. Nach Positionen als Regionalleiter Asien/Pazifik sowie Leiter Marketing trat Klenk 2003 in den Vorstand ein.