Holistic Sustainability Framework

Den Wald vor lauter „Green“ nicht mehr sehen?
Wie sich Nachhaltigkeit ganzheitlich
systematisieren lässt

Die Erkenntnis, dass Nachhaltigkeit ganzheitlich als Transformation im Unternehmen umgesetzt werden muss, ist bei den meisten Topführungskräften angekommen. Dass nicht weniger als die „License to Operate“ auf dem Spiel steht, sollte dieser Wandel nicht erfolgreich vollzogen werden, ist weniger präsent. Sustainability ist zu einem wesentlichen Risikofaktor geworden, bietet aber gleichzeitig enorme Marktchancen, wenn jetzt die Weichen richtig gestellt werden. Doch was ist konkret zu tun? In welche Dimensionen und Handlungsfelder kann Nachhaltigkeit zur systematischen Bearbeitung aufgeteilt werden? Gibt es dafür einen branchenübergreifenden Ansatz auf Basis der aktuellen Ausgangslage? Die gute Nachricht: Ja, den gibt es, zum Beispiel das Holistic Sustainability Framework.

Holistic Sustainability Framework by Horváth

Ein Framework – drei Dimensionen – neun Handlungsfelder

In jeder Branche gibt es unbestritten besondere Herausforderungen in Bezug auf CO2-Reduktion und Nachhaltigkeit. Dennoch können die vielfältigen Handlungsfelder und Unterthemen in einer Systematik konsolidiert werden, deren einzelne Felder für das jeweilige Unternehmen dann individuelle Relevanz und Umfang haben. In jedem Fall hilft die Systematik, Ordnung in die laufenden und geplanten Ansätze zu bringen – und vor allem, die Weichen für die Zukunft strukturiert stellen zu können. Die im Folgenden skizzierten Bausteine erläutern wir im persönlichen Austausch gern intensiv. 

Dimension 1) Green Business Models & Strategies

Bestehende Strategien und Geschäftsmodelle sind vor dem Hintergrund der aktuellen und perspektivischen Nachhaltigkeitsanforderungen neu zu erfinden oder weiterzuentwickeln. 

Dabei sind drei zentrale Elemente strategisch zu bewerten und zu integrieren:  

  • Dekarbonisierung: Umstellung von Prozessen und Aktivitäten ohne oder zumindest mit deutlich reduzierter Treibhausgasfreisetzung beziehungsweise deren Kompensation 
  • Wasserstoff & Elektrifizierung: Nutzung von Wasserstoff als Schlüsseltechnologie für den Energiewandel, Umstellung auf emissionsarme elektrobasierte Antriebe 
  • Kreislaufwirtschaft: Weiter- und Wiederverwendung/-verwertung mit dem Ziel, Abfälle so umfassend wie möglich zu reduzieren 

Dies sind die strategischen Kernhandlungsfelder, die sich aus dem European Green Deal der EU ergeben. Für Unternehmen sind die daraus resultierenden erforderlichen Änderungen nur unter hohem Investitionsaufwand und unter Berücksichtigung von gegebenenfalls langen Reinvestitionszyklen zu bewältigen. Dieser Tatsache muss das Topmanagement ins Auge sehen und entsprechend agieren. 

Dimension 2) Sustainability Management & Steering

Für die Nachhaltigkeitstransformation braucht es einen konkreten Fahrplan. Dafür müssen zum einen die oben genannten Kernhandlungsfelder zur ökologischen Nachhaltigkeit in die Unternehmensstrategie integriert werden. Zum anderen gilt es, ein gesamthaftes Nachhaltigkeitszielbild zu erstellen. Dafür sind Handlungsfelder zu definieren, die sich aus einer vorangehenden Materialitätsanalyse ergeben. Die einzelnen Ziele werden mit KPIs und konkreten Maßnahmen hinterlegt und im Rahmen eines proaktiven Performance Managements gesteuert. Die Unternehmenssteuerung wird aufgrund der zusätzlichen Zieldimensionen für Umwelt und Gesellschaft an Komplexität deutlich zunehmen – auch dies gilt es, bewusst zu machen. Die Einbindung der Nachhaltigkeitsindikatoren in die Anreizsysteme der Unternehmen hat sich dabei als unerlässlich herausgestellt. 

Die zweite Dimension hat noch eine ergänzende regulatorische Komponente, auf die wir in diesem Beitrag näher eingehen. In Europa geht es im Wesentlichen um die ESG-Reportings der verpflichtenden Regelwerke CSRD und EU-Taxonomie, aber auch um Vorgaben zur nachhaltigen Lieferkette (LkSG und CSDDD). Je nach Priorität des jeweiligen Unternehmens können auch freiwillige Standards sinnvoll sein. 

In der Dimension „Sustainability Management & Steering“ geht es auch um die grundsätzliche organisatorische Verankerung der Aufgaben, die zur Nachhaltigkeitstransformation gehören. Es muss geklärt werden, wie die Themen in der Aufbauorganisation verortet und in Geschäftsprozesse und Governance aufgenommen werden sollen. Ein klares Best-Practice-Modell hat sich dafür noch nicht etabliert. Unternehmen müssen herausfinden, welches die für sie am besten passende Organisationsform ist. 

Dimension 3) Sustainable & Green Value Creation

Die Veränderung der Wertschöpfung von Unternehmen in Richtung Nachhaltigkeit muss in allen Industrien bis in die letzten Prozesse auf dem Shopfloor reichen – also dort, wo die Produkte und Dienstleistungen entstehen. Das Produkt- und Serviceangebot ist nachhaltig zu gestalten, die Produktentwicklung entsprechend neu auszurichten. Auch Nachweise für Kunden sind unerlässlich, beispielsweise der Product Carbon Footprint (PCF). Die größte, aber auch wichtigste Herausforderung ist es, die Nachhaltigkeit der Lieferkette und auch des Einkaufs sicherzustellen. Da in vielen Unternehmen der größte Teil des Carbon Footprint in der vorgelagerten Wertkette liegt, hängt es letztendlich davon ab, ob die Ziele im Bereich Dekarbonisierung erreicht werden können. Auch die eigene Produktion und Leistungserbringung müssen dekarbonisiert und nachhaltig gestaltet werden. 

That’s it? Fast!

Zusätzlich zu den beschriebenen Dimensionen und Handlungsfeldern ist die Nachhaltigkeitstransformation in zwei „Layern“ zu denken, die notwendige Grundvoraussetzungen bilden – sowohl digitale als auch personelle.  

  • Im Layer „Technology & Data“ geht es beispielsweise nicht nur darum, Daten und Systeme zur Bewältigung aktuell geltender ESG-Offenlegungspflichten zu nutzen, sondern um bessere unternehmerische Entscheidungen unter Berücksichtigung von Ökologie und Gesellschaft zu treffen, sowie zum eigenen Effizienzvorteil, beispielsweise für die künftigen Offenlegungspflichten. 
  • Auf der Ebene „People & Culture“ muss sichergestellt werden, dass Mitarbeitende in die Transformation einbezogen, informiert, befähigt und motiviert werden. Change Management ist dafür ein wichtiges Schlagwort, aber auch die Formulierung und Vermittlung des Zielbilds sowie die Transformationsgeschwindigkeit. 

Tempo ist gefragt

Die Dynamik der Transformation von Unternehmen in Richtung Nachhaltigkeit erscheint aktuell noch sehr unterschiedlich. Wer sich schon länger und strategisch mit dem Thema beschäftigt und Strukturen geschaffen hat, ist im Vorteil. Die Energiekrise und die dadurch an Fahrt gewonnene Energiewende setzen viele Unternehmen unter Zugzwang. Anstatt nun weiter Herausforderung nach Herausforderung und Anforderung nach Anforderung einzeln zu lösen, empfehlen wir, das Thema in all seinen Facetten einmal für das Unternehmen zu systematisieren und zu strukturieren. Der künftige Erfolg von Unternehmen hängt davon ab, wie sie Nachhaltigkeit als Treiber für Innovation und Wachstum nutzen können. Unternehmen, die sich zu viel Zeit lassen, laufen Gefahr, im Wettbewerb nicht mehr bestehen zu können. Ihre Geschäftsmodelle werden vom Markt verschwinden. Einen Weg zurück gibt es nicht. 

Nachhaltigkeit & Regulatorik

Im ESG-Standard-Dschungel den richtigen Fokus setzen – und nachhaltig profitieren

Zum Beitrag

Industrieexperte Prof. Dr.-Ing. Heinz Jörg Fuhrmann im Interview

„Es sind längst nicht alle kurzfristig hebbaren Potenziale ausgeschöpft“

Zum Interview